Teil des Projektes Creative AI
Elisabeth Oberndorfer startete 2006 ihre Karriere im Digitaljournalismus, als Online-Medien noch nicht cool waren. Sie sammelte außerdem Agenturerfahrung in der Anfangszeit von Social Media, war stellvertretende Chefredakteurin eines Fachverlags und berichtete aus dem Silicon Valley als freie Tech-Korrespondentin. In den vergangenen Jahren spezialisierte sich auf die Schnittstelle zwischen Journalismus, Innovation und Unternehmertum und gibt dieses Wissen mit ihrem eigenen Unternehmen Smart Maguire Content Publishing weiter.
Was sagst du zur aktuellen Entwicklung im Bereich der KI? Wie setzt du KI-Tools in deiner Arbeit ein?
Elisabeth: Es ist ja eigentlich schon viel KI im Einsatz. Meine Wahrnehmung ist, dass wir erst seit einem halben Jahr diesen Hype haben, wo jetzt wirklich alle wegen DALL-E und ChatGPT über KI sprechen. Dieses Thema, über das wir in den Technologiemedien schon längst berichten, ist jetzt im Alltag angekommen. Was natürlich zeigt: Wenn diese Dinge einfacher werden, sind sie alltagstauglich. Es ist uns auch viel bewusster, dass wir KI einsetzen.
Ich selbst nutze Transkriptions- und Übersetzungstools. Oder auch Projektmanagementsoftware mit KI-Funktionen, wo das Tool dazulernt. Bzgl. Texten fragen mich auch tatsächlich Kund*innen, ob man das mit ChatGPT oder in der Übersetzung mit DeepL machen kann. Da merke ich schon, dass immer mehr Interesse besteht. Aber es ersetzt bei mir noch keine großen Arbeitsschritte.
Wie siehst du das im Journalismus? Glaubst du, dass Tools wie ChatGPT einmal ganze Artikel schreiben werden?
Elisabeth: Das wär’ gar nicht so schlecht, wenn ChatGPT auch wirklich journalistische Artikel schreiben könnte (lacht)! Das Problem jetzt ist, dass ChatGPT keine Quellen ansgibt. Im journalistischen Arbeiten ist es aber extrem wichtig, dass ich weiß, wer meine Quellen sind und dass ich diese auch angeben kann (außer es sind Informant*innen, die man nicht zitieren kann oder darf). Aber grundsätzlich ist es in der journalistischen Arbeit so, dass es immer nachvollziehbar sein muss, woher die Informationen kommen. Das finde ich bei ChatGPT einerseits schade, andererseits gefährlich, dass das noch nicht möglich ist. Das ist etwas, das ich an diesen Tools problematisch sehe. Wenn ich nicht weiß, wo die Infos herkommen, kann ich damit eigentlich nicht arbeiten. Da frag’ ich mich auch, inwiefern wir da an der Medienkompetenz arbeiten müssen, dass die Leute auch wissen, wenn wir sichere Informationen brauchen, wenn das heikle Texte sind, müssen wir darauf vertrauen können, dass sie stimmen. Da ist der Einsatzbereich (momentan) noch etwas eingeschränkt. Aber das kommt bestimmt noch.
“Im journalistischen Arbeiten ist extrem wichtig, dass ich weiß, wer meine Quellen sind und ich diese auch angeben kann (außer es sind Informant*innen, die man nicht zitieren kann oder darf).”
Gerade in der journalistischen Arbeit ist das Schreiben der allerletzte Part, den du wahrscheinlich auch mit einer Deadline machst. Die ganze Arbeit – die Recherche, die Gespräche führen – das passiert alles davor. Ich könnte mir ganz gut vorstellen, dass man dann alles, was man gesammelt hat, in das Tool “reinwirft”, das dann auch meinen Schreibstil kennt, und den endgültigen Text dann auswirft.
Was mir noch etwas abgeht, ist die Kreativität bzw. die Einzigartigkeit der Texte. Entweder die Technologie schreitet noch weiter voran, so dass das dann tatsächlich auch sehr gut ist, und/oder unser Beruf als Schreibende ist vielleicht dann eher so, dass wir die Maschine antrainieren bzw den Output finetunen. Vielleicht liegt der Mehrwert, den wir schaffen, dann darin.
KI wird schon gewisse Tätigkeiten ersetzen. Wir müssen uns überlegen, was unser Job, unsere Tätigkeit sein kann. Die Chance, die wir jetzt nutzen können: Wenn diese Tools noch nicht am Markt oder noch nicht so ausgereift sind: Was können wir als Kreative, als Schreibende dazu beitragen, damit diese Tools entstehen? Bzw. was sind Prozesse unserer Arbeit, die wir sowieso automatisieren wollen?
Wie glaubst du wird sich kreatives Schreiben verändern? Wo lässt sich menschliche Kreativität einordnen?
Elisabeth: Ich habe das Gefühl, dass jede*r der/die schreibt eine eigene Stimme und einen eigenen Stil hat, der entweder gefällt oder nicht gefällt. Auch im Werbetexten geht es ja darum, Leute immer wieder zu überraschen und nicht immer wieder die gleichen Texte oder Botschaften zu verarbeiten. In der journalistischen Arbeit basiert sehr viel auf persönlicher Arbeit: Mit Gesprächen, für die du dir Leute suchst, die zu dem Thema etwas sagen können. Auch im Kreativen passiert vieles über die persönlichen Erfahrungen und Emotionen. Die Maschine weiß eigentlich auch nur, was wir sie füttern. Deswegen glaube ich schon, dass diese menschliche Komponente immer da sein wird und immer notwendig sein wird – egal, was wir dann über KI produzieren. Ich glaube, im Kreativbereich ist alles sowieso schon eine “Remix-Kultur” – das wird jetzt einfach wieder eine Form dieser Remix-Kultur. Die Frage nach dem/der Urheber*in haben wir ja jetzt auch schon sehr oft im Kreativbereich und in digitalen Medien. Das Problem des Urheberrechts wird wahrscheinlich noch größer. Woher kommt das eigentlich? Wer hat diesen Stil oder diese Musik erfunden?Ich finde es cool, dass du mit diesen Tools sehr schnell sehr coole Dinge probieren kannst. Ich glaube, das wird einen kulturellen Einfluss haben, aber nicht die menschliche Kreativität ersetzen.
“In der journalistischen Arbeit basiert sehr viel auf persönlicher Arbeit: Mit Gesprächen, für die du dir Leute suchst, die zu dem Thema etwas sagen können. Deswegen glaube ich schon, dass diese menschliche Komponente immer da sein wird und immer notwendig sein wird.”
Was ich mir gut vorstellen kann: Viele sind jetzt sehr begeistert von diesen Tools. In ein paar Jahren kommt man aber darauf, dass diese KI-Texte niemand mehr lesen mag und kauft sich wieder mehr menschliche Leistung zu, bzw. weiß menschliche Expertise wieder mehr zu schätzen. Jetzt wird viel probiert und getestet werden und in einiger Zeit werden wir wieder mehr “back to the roots” gehen. Und wir selbst werden wieder mehr in die Professionalistenrolle gehen.
Angenommen, du verwendest ChatGPT für Texte – Muss man das den Kund*innen sagen?
Elisabeth: Wenn es als “Hilfstool” bzw. als Inspiration eingesetzt wird, sehe ich es nicht unbedingt notwendig. Die genauen Arbeitsschritte im Hintergrund sind für Kund*innen eher irrelevant. Solange man es nicht so einsetzt, dass man innerhalb einer Stunde tausende Texte generiert und dann teuer verkauft – das wäre dann problematisch.
In Medien muss man dann intern mit der Redaktion festhalten, wie man diese Tools verwenden darf. Ist es ok bei uns, einen Text über ChatGPT zu generieren? Oder muss er immer noch redigiert oder überarbeitet werden? Oder wollen wir ChatGPT gar nicht nutzen, um zu vermeiden, jemanden zu kopieren? Ich glaube, da muss jedes Unternehmen – egal ob Agentur oder Medium – für sich interne Regeln entwickeln.
“Ich glaube, jedes Unternehmen – egal ob Agentur oder Medium – muss für sich interne Regeln entwickeln. Wie gehen wir mit diesen Tools um, wofür werden sie eingesetzt und wofür nicht?”
Wie siehst du das Thema Medienkompetenz im Kontext von AI-Tools?
Elisabeth: Mir ist durch die Pandemie aufgefallen, wo sehr viele Falschinformationen verbreitet wurden, dass wir als Medien es eigentlich verpasst haben, den Leser*innen klarzumachen, wie wir arbeiten – ich glaube vielen ist gar nicht bewusst, wie wir Journalist*innen arbeiten und woher wir unsere Quellen haben. Ich glaube, dass Transparenz hier extrem wichtig ist. Auch, dass den Leuten klargemacht wird, dass mittlerweile eigentlich alles gefälscht werden kann. Vielen ist das noch gar nicht bewusst, wie solche Dinge entstehen können. Man muss den Leuten beibringen, worauf sie achten müssen.
Hast du abschließend einen Tipp, den du Kreativschaffenden bzw. Texter*innen mit auf den Weg geben möchtest?
Elisabeth: Überlegt euch, wie euer Job sich dadurch verändern kann, wenn gewisse Tätigkeiten durch KI ersetzt werden. Welche Leistung bzw. welchen Mehrwert könnt ihr schaffen? Aber auch: Welche Tätigkeiten kann die KI für euch erledigen? Als Alleinunternehmer*in – wie es in der Kreativwirtschaft viele gibt – kann ich mich fragen, welche Arbeitsschritte können effizienter gestaltet werden? Dann können wir uns auf den Teil der Arbeit konzentrieren, der uns Spaß macht.