Teil des Projektes Creative Review
Während andere Kreative das Brodeln der Städte und Metropolen für ihren Output und ihre Inspiration brauchen, bevorzugen Ralf Stauss und Edward Richardson von Papier Langackerhäusl die Ruhe von Kollerschlag im Mühlviertel. Und das in Alleinlage am Waldrand in einem Gebäude aus dem Jahr 1885, aus dem sich auch der Name des Labels ableitet.
Will man Papier Langackerhäusl im Studio besuchen, hat man einen weiten Weg vor sich, fährt durch Hühnergeschrei, das man nur aus blöden Witzen kennt, hält nach dem letzten Orientierungspunkt – einem gelben Postkasten mit der Nummer acht – Ausschau und hat am Ende einen ziemlich holprigen, circa einen Kilometer langen, verschlungenen Waldweg vor sich. Kurz wünscht man sich einen Geländewagen herbei und rollt im Schritttempo durch den Wald. Letztendlich landet man aber an einem traumhaften Ort, an dem sich zwei Menschen dem Papierhandwerk verschrieben haben und mit Gewissheit sagen: Wir sind nicht das größte Haus im Block. Wir sind das einzige Haus!
Von Paris nach Los Angeles und letztendlich nach Kollerschlag
Die Lebenswege von Ralf und Edward kreuzen sich, sie lernen einander in Paris kennen, gehen gemeinsam für zehn Jahre nach Los Angeles, machen Karriere und sehnen sich mit der Zeit doch nach etwas ganz Anderem – nach dem Nichts und der Natur. Abseits von täglichen Megastaus auf dem Highway und dem Glitzer und Glitter der Traumfabrik Hollywood. In den USA war Ralf Stauss zuletzt als Ausstatter beim Film tätig und Edward Richardson als Kreativdirektor für die Fashionwindows einer namhaften Kaufhauskette. Irgendwann hatten die beiden genug von diesem Lebensstil und wollten etwas Neues – einen kompletten Bruch mit dem damaligen Dasein in Kalifornien. Die Suche nach einem Haus in Alleinlage mit Brunnen beginnt ursprünglich in der deutschen Heimat von Ralf. Mehr per Zufall finden die beiden das Langackerhäusl in Kollerschlag, setzen sich ins Flugzeug und kaufen das Haus schließlich. Allerdings sollte es noch zwei Jahre dauern, bis sie endgültig nach Oberösterreich übersiedeln.
In Kalifornien alles hinter sich lassen und mit nur mit einem Container umziehen
Einem japanischen Samurai-Sprichwort zufolge soll man seine Entscheidungen innerhalb von sieben Atemzügen machen. Vielleicht waren es sieben Atemzüge klarer Waldluft, die zur Entscheidung für Kollerschlag führten. Die beiden lösten jedenfalls ihr Leben in Kalifornien auf, verkauften alles, was nicht wichtig für die Zukunft erschien – und letztendlich blieb ein Container übrig, der 2009 mit ihnen in Kollerschlag landete. Und darin lag auch schon die Zukunft, nur wussten sie dies damals noch nicht. Zuerst war Durchatmen, zur Ruhe kommen und die Hektik von Los Angeles abstreifen angesagt – und dann kam das Nachdenken darüber, was man in Zukunft machen wollte. Eines war von Anfang an klar: Alle Facetten der Arbeit wollten sie selbst in der Hand haben und eine nachhaltige Verbindung zu ihrer Arbeit und der Natur herstellen. Und die Basis hierfür lag im Umzugscontainer, der nicht nur Möbel und Utensilien beinhaltete, sondern vor allem eine Menge Papier – in Form von Verpackung, Büchern, aber auch Planpapier und Kladden bedingt durch die bisherige Arbeit in den Bereichen Kostümdesign, Schneiderei, Grafikdesign und visuelles Styling. Das führte zu einer intensiven Auseinandersetzung mit dem Material.
Papier ist universell und lässt sich mit Hingabe zu allem Möglichen formen.
Alles Kreative braucht Papier, sei es zum Skizzieren, Planen oder in der Endausführung. Papier ist vielfältig und geduldig und unendlich formbar. Darum wurde dieses Material zum Ausgangspunkt für alles, was danach kam. Ralf sagt im Gespräch: „Wir kombinieren unser enormes Wissen mit autodidaktischer Kunstausübung, um unser einzigartiges Angebot an funktionaler Kunst zu produzieren. Bei jedem Stück – und ich spreche hier von Unikaten – sind wir bestrebt, die Stärke, Schönheit und Vielseitigkeit des Mediums Papier zu offenbaren.“ Er zeigt dabei auf die Schmuckstücke, an denen Edward derzeit in seinem Atelier arbeitet. Klare, strenge Formen mit einer zeitlosen Eleganz und raffinierten Details, wie Magnetverschlüsse, die ins Papier eingearbeitet werden. Ralf selbst arbeitet an Taschen und Handtaschen, die durch Schlichtheit gepaart mit einer ausgeprägten Struktur und einer taktilen Oberfläche überzeugen und nicht nur schön, sondern vor allem werthaltig sind. Nebenbei experimentiert Ralf im Objektbereich und schafft Objekte, die täuschend nach Keramik aussehen, aber einen Bruchteil deren Gewichts aufweisen. Luftig leicht liegen diese Objekte in der Hand und sind gleichzeitig wunderbar anzuschauen.
Wie kommen solche traumhaften Produkte in die Welt?
Seinen Traum zu leben, ist ja die eine Sache, aber es drängt sich die Frage auf: Wie kommen solche einmaligen und wunderschönen Produkte vom A der Welt auf den Markt der Welt? Zum einem mit der Post, aber auch sonst geht man bei Papier Langackerhäusl eigene Wege. Quasi in Analogie zum handgeschöpften Papier ist der Vertrieb auch handverlesen. Nicht die große Masse ist das Ziel, sondern die richtigen Partner*innen, die das Medium und das Handwerk schätzen. Und man schaut auch immer auf ein gesundes Wachstum, langsam wie der Wald rund um das Atelier, aber kräftig in der Ausprägung und tiefverwurzelt mit dem Handwerk. Ein nicht unbeträchtlicher Teil ihrer Produkte geht nach Japan, wo das Papier als Werkstoff höher geschätzt wird als hierzulande. In Nippon arbeiten Edward und Ralf seit langem mit einem Agenten zusammen, der halbjährlich bestellt und so für eine gesunde Grundauslastung sorgt. In Europa sind es ausgewählte Boutiquen, Museen, Freunde, Freundinnen und Geschäftspartner*innen, von denen man weiß, dass am jeweiligen Ende hochwertige Handarbeit geschätzt wird – und auch das nötige Klientel da ist. Erst vor kurzem begannen sie eine Kooperation mit der Ludwig Reiter Schuhmanufaktur, die in den Räumlichkeiten ihrer Manufaktur in Süßenbrunn bei Wien die Produkte und Objekte von Langackerhäusl ausstellen. Und wie das Langackerhäusl gibt es das Schuhunternehmen seit 1885. So schließt sich der Kreis.
Credits Artikelbild: Langackerhäusl