Teil des Projektes Creative Review
Jeden Morgen erwachen rund 203.000 Menschen in Linz – und jede*r von ihnen hat ein anderes, persönliches auf seine und ihre Lebenssituation zugeschnittenes Bild von der Stadt. Dazu kommen noch die Pendler*innen und Besucher*innen, die täglich in die Stadt kommen. Wie kann man also einer Stadt ein einzigartiges Gesicht geben, das allen gerecht wird? Vielleicht indem man nicht den Status Quo zementiert, sondern nach vorne denkt.
Dem neuen Corporate Design von Linz, der drittgrößten Stadt Österreichs, ging ein zweijähriger Markenprozess voraus, bei dem die Eckpfeiler und Inhalte der „Linz – Future City of Respect“ definiert und konkretisiert worden waren. Ein sehr partizipativer Prozess, in dem gemeinsam erarbeitet wurde, was Linz aus- und einzigartig macht. Milestones waren dabei zwei Marken-Workshops, eine umfassende Image-Befragung, ein großes Engagement der Mitglieder des Stadtsenats sowie die Ergebnisse einer Peer Group-Analyse mit fünf europäischen Vergleichsstädten. Soweit die Fakten zur Markenstrategie, aber wie wurde daraus das jetzige Corporate Design? Wie setzt man so einen Gestaltungsprozess auf?
Agenturscreening, persönliche Vorgespräche und eine mutige Entscheidung.
Jürgen Tröbinger von der Stadt Linz erklärt im Gespräch die Agenturauswahl so: „Aufgrund der Erfahrungen mit der Markenstrategie war uns bald klar, dass ein klassischer Pitch, wo man aufgrund der verschiedenen Überlegungen der beteiligten Agenturen einen ‚Look of the day‘ ohne konkreten Tiefgang erhält, nicht in Frage kommt. Wir wollten einen gemeinsamen Entwicklungsprozess, den wir im Laufe der Zeit immer weiter konkretisieren und optimieren können. Wir haben im Vorfeld eine Matrix erstellt, was unser zukünftiger Agenturpartner leisten soll und muss. Uns war eine gewisse Größe und Leistungsfähigkeit der Agentur wichtig, weil ein tragfähiges und belastbares Corporate Design rauskommen musste, das von allen angenommen wird. Und so suchten wir nach einem Partner, der das auch stemmen kann.“
Auf Basis der Matrix wurden bewusst lokale Agenturen ausgewählt und Vorgespräche über den gemeinsamen Prozess geführt. Am Ende fiel die Entscheidung auf die Gruppe am Park. Natürlich mit einem gewissen Vertrauensvorschuss, denn zu diesem Zeitpunkt gab es noch keinen einzigen Strich oder greifbare Visualisierungen. Aber der Weg entsteht im Gehen. Und eben im Vertrauen. Das bestätigt auch Bernhard Buchegger von der Gruppe am Park: „Ein Pitch ist in unserer Branche eigentlich nicht beliebt, weil man viele Details zu dem Zeitpunkt einfach nicht kennt, insbesondere bei so einer Mammut-Aufgabe. Vieles ergibt sich erst im Prozess und man muss über mehrere Monate flexibel bleiben. Das Wunderbare an einem derartigen Prozess ist, dass man sich von Anfang an sehr konzertiert auf eine Reise begibt und nicht, wie sonst üblich, intern entscheidet: Womit können wir den Kunden begeistern? Durch die schrittweise, strategische Designentwicklung entsteht eine andere Form von Qualität. Ich denke, das Ergebnis kann sich sehen lassen – und ist einfach mehr als ein Logo!“
Linz verändert sich. L_nz schafft Raum.
Das Ergebnis hält Stand, auch im europäischen Vergleich. Das war allen Beteiligten von Anfang an wichtig. Denn ein City Branding wirkt nicht nur nach innen, sondern auch weit über die Stadtgrenzen hinaus. Die Überlegungen, die hinter dem Prozess stehen, haben sie öffentlich gemacht: „Linz schafft Spaces und Bühnen. Anders gesagt, L_nz schafft Raum. Raum für Kreativität, Innovation, Digitalisierung, Lebensqualität, Respekt, Technologie, Natur und Kultur.“ Im Zentrum des Corporate Designs steht das neue Linz-Logo. Basierend auf der Grundidee, das „i“ um 90 Grad zu drehen, entsteht innerhalb des Logos ein Raum für eigene Vorstellungen und Inhalte. Eine eigens entwickelte Schrifttype, die Lentia Nova, spielt mit der Lage an der Donau und dem Element Wasser.
Die Gesamtentwicklung mit allen Zwischenabstimmungen sowie die Detailgestaltung nahm bis zum Roll-out insgesamt ein Dreivierteljahr in Anspruch. Der Tag X stellte für alle Beteiligten eine große Herausforderung dar. Während der Pressekonferenz zum Launch, in der das neue Logo mit dem gekippten I eine Bühne für den Linzer Bürgermeister Klaus Luger im realen Raum bot, wurde parallel online und analog umgestellt. Die alte Website wurde abgedreht und die neue erblickte das Licht der Welt. Die Fahnen vor dem Rathaus wurden von Magistratsmitarbeiter*innen ausgetauscht und die Online-Kampagne mit den Erklärvideos zum neuen Corporate Design breitflächig in den sozialen Medien ausgerollt. Schlagartig war Linz neu, bunt und frisch. Die Stadt hat ihr Gesicht verändert.
Und die Reaktionen? Im Großen und Ganzen sehr positiv
Ein schlauer Marketingkopf hat einmal gesagt: „Wenn dich keiner hasst, dann liebt dich auch keiner!” So ist es auch mit dem neuen Gesicht von Linz. Schnell tauchten Persiflagen des Erklärvideos auf. Auf die Frage, wie man damit umgeht, meint Jürgen: „Mit einer gewissen Selbstverständlichkeit und Größe, es ist doch gut und schön, wenn sich Menschen damit auseinandersetzen, was die Stadt ist – oder aus ihrer Sicht eben nicht. Viel schlimmer wäre völlige Ignoranz. Wir haben Resonanz erzeugt, und abgesehen von diesen kleinen ironischen Spielereien kommt der Neuauftritt im Großen und Ganzen sehr gut an. Das merkt man insbesondere an der Website. Die Daten und Inhalte sind völlig identisch mit dem Vorher, aber die Bürger*innen haben das Gefühl, dass sie jetzt viel klarer und übersichtlicher ist. Und ich denke, es war auch wichtig, den Menschen das neue Gesicht der Stadt mit Videos zu erklären. Denn die Stadt gehört allen – und das gleiche gilt für das Logo und den neuen Auftritt. Es zeigt auch, dass ‚Future City of Respect‘ nicht nur ein fancy Marketing-Mascherl ist, sondern in Zukunft auch echt gelebt wird.” Bernhard fügt hinzu: „Und das beginnt bei der Kommunikation, besser gesagt mit dem Bild, das in der Kommunikation nach außen getragen wird.“
Credits Artikelbild: Stadt Linz / Sturm, Dworschak