Teil des Projektes Creative Review
Kann aus Schmerz eine Lifestyle-Community entstehen? Diese Frage hat sich Lisa-Maria Reisinger wohl nicht gestellt, als bei ihr Endometriose diagnostiziert wurde. Und doch war das Erkennen dieser chronischen Schmerzerkrankung der erste Impuls für ihre Geschäftsidee. Konkreter wurde sie einige Jahre später, als Lisa-Maria mit ihrer Wärmeflasche an die Couch gebunden war. Wie könnte eine schmerzlindernde Wärmflasche besser in den Alltag integriert werden? Als Antwort darauf entwarf Lisa-Maria eine Jogginghose mit Platz für die Wärmflasche. Ihr Unternehmen femitale war geboren.
Drei Jahre später hat femitale bereits mehrere Produkte im Portfolio und vertreibt diese im eigenen Onlineshop. „Ich habe genug von diskreten Menstruationsprodukten. Wir können nicht verlangen, verstanden und gesehen zu werden, wenn wir gleichzeitig versuchen, die Produkte, die unsere Beschwerden lindern sollen, zu verstecken”, formuliert Lisa-Maria ihre Motivation. Schon bevor sie femitale startete, teilte sie ihre Erfahrungen mit Endometriose in ihrem persönlichen Blog, um Unterleibsschmerzen zu enttabuisieren. Durch den Austausch mit anderen Frauen, die ebenfalls unter chronischen Erkrankungen oder Menstruationsbeschwerden litten, baute sie eine erste Community auf.
Vom Tabu zum Dialog
Hier beginnt auch die Geschichte von femitale: Ihr erstes Produkt, die Hose mit einer Tasche für die Wärmflasche, finanzierte Reisinger über die Crowdfunding-Plattform Startnext. Mehr als 360 Unterstützer*innen trugen insgesamt rund 34.000 Euro bei. Heute bezeichnet Reisinger femitale als Care-Community-Brand, die für ihre Kundinnen über den Kauf hinweg da sein möchte: „Wie geht’s ihnen mit unseren Produkten, was ist ihr Feedback, was würden sie sich noch wünschen? Was gefällt ihnen und wo können wir uns verbessern? Das sind für uns essenzielle Fragen, an denen wir auch unsere Produktentwicklung ausrichten.”
Kundinnen werden zu Testimonials
Diese Community baut Lisa-Maria mit ihrem mittlerweile siebenköpfigen Team gezielt auf. Der Blog und die Crowdfunding-Kampagne waren nur die ersten Schritte. Kundinnen und Newsletter-Abonnentinnen werden in die Facebook-Gruppe femitale Insiders eingeladen. Diese besteht noch aus nicht einmal tausend Mitgliedern, der Austausch in der Gruppe ist aber ein wesentlicher Bestandteil der Kommunikationsstrategie: „Wir fragen die Community um Rat, suchen Produkttesterinnen und bieten Raum für den Austausch rund um Zyklusthemen. Wir wollen so niederschwellig wie möglich unsere Unterstützung auch abseits unseres Stores zugänglich machen.“ Aktuell führt das Unternehmen persönliche Interviews mit Gruppenmitgliedern, um noch mehr über ihre Bedürfnisse und Wünsche zu erfahren.
Ein weiterer Teil des Community-Buildings bei femitale ist der Aufbau von Testimonials. Lisa-Maria Reisinger versucht, die Stimmen von zufriedenen Kundinnen als Marketinginstrument zu nutzen: „Täglich erreichen uns Reviews per Mail, über Social Media oder klassisch auf unserer Website. Zusätzlich bitten wir unsere Community entweder aktiv auf Social Media oder einen Monat nach Kauf per E-Mail-Marketing, uns eine Review mit ihrer ehrlichen Meinung dazulassen.“ So können Kundinnen femitale aktiv mitgestalten. Auf Instagram zählt femitale mittlerweile mehr als 20.000 Follower*innen. Dort zeigt das Unternehmen nicht nur Produkte und die visuelle Markenwelt, sondern informiert auch über Frauengesundheitsthemen und gibt einen Blick hinter die Kulissen der Produktentwicklung.
Weitere Produkte in der Pipeline
Diese Marketingstrategie ermöglicht es, auch als Jungunternehmerin über die Grenzen Österreichs hinaus bekannt zu werden: „Unser stärkster Markt ist Deutschland, gefolgt von Österreich und der Schweiz. Durch unseren Community-Drive unterscheiden wir uns stark von anderen Brands. Das ist im DACH-Raum einzigartig.”
Lisa-Maria Reisinger war vor ihrem krankheitsbedingten Ausfall bei einer Online-Agentur tätig und sah sich selbst nie als Gründerin. Nach dem ersten Jahr femitale holte sie sich mit Adis Pezerovic und Marcel Lechner zwei Mitgründer, die sich auf die Bereiche Design und Performance Marketing spezialisiert haben. Wie sich der Community-Fokus auf den wirtschaftlichen Erfolg auswirkt, will Reisinger nicht konkret nennen, verrät aber: „Im Vergleich zum vergangenen Jahr haben sich unsere Umsätze, unser Team und unsere Produkte verdoppelt.“
Das zweite Produkt, das femitale auf den Markt gebracht hat, ist bislang der Bestseller: ein Wärmeschal, der um die Taille gewickelt werden kann und so Schmerzen lindert. Vergangenes Jahr führte die Marke außerdem ihre eigene Periodenunterwäsche ein. Dieses Jahr setzt femitale in der Produkterweiterung auf Nahrungsergänzung: Das Trinkgranulat „BetterPeriod“ soll zum Beispiel für mehr Wohlbefinden und Entspannung während der Periode sorgen. Neue Produkte seien bereits in der Pipeline, auch hier bezieht man das Feedback der Kundinnen-Interviews ein.
Synonym für Frauengesundheit
Neben der Community und der gelebten Empathie setzt Lisa-Maria außerdem auf Qualität in der Produktion. Der Qualitätsanspruch umfasst höchstmögliche Gesundheits- und Fertigungsstandards, faire Bedingungen und umweltschonende Prozesse. Produziert wird in Portugal, Deutschland und Österreich.
Für die Zukunft sieht die Gründerin das Potenzial, dass femitale eine noch breitere Lifestyle-Marke wird: „femitale soll das Synonym für Frauengesundheit werden. Nicht nur während der Periode, sondern auch in allen anderen Zyklen des Frauseins, beispielsweise in der Schwangerschaft, der Stillzeit oder in der Menopause. Der Körper ändert sich ein Leben lang und diesen Prozess wollen wir für ein Leben lang begleiten und unterstützen.“
Credits Artikelbild: femitale