Inmitten einer sich stetig verändernden Arbeitswelt, in der Unsicherheit und Informationsüberflutung zum Alltag geworden sind, stellt sich die Frage: Wie kann Führung heute gelingen? Was brauchen Mitarbeiter*innen wirklich – und wie entwickeln wir echtes Vertrauen, Motivation und Bindung im Team? Wir haben mit Sandra Manich, Coach, Speakerin und Expertin für Positive Leadership, über all diese Themen gesprochen – und dabei nicht nur viel gelernt, sondern auch gespürt, wie leidenschaftlich sie für eine neue Art von Führung eintritt: empathisch, menschlich, wirksam.
Mentoring: Von Mensch zu Mensch statt von oben nach unten
Creative Region: „Sandra, du hast viel Erfahrung mit internen Mentoringprogrammen. Was braucht es, damit diese wirklich funktionieren?“
Sandra: „Ein gutes Mentoringprogramm lebt von Ehrlichkeit, Interesse und Substanz. Es reicht nicht, zwei Leute zusammenzuwürfeln und zu hoffen, dass da irgendwas entsteht. Es braucht ein echtes Matching – auf persönlicher, aber auch auf fachlicher Ebene. Und es muss klar sein: Was bringt die Mentorin oder der Mentor wirklich mit? Und was braucht der/die Mentee? Mentoring funktioniert dann, wenn auf Augenhöhe gesprochen wird. Wenn jemand wirklich bereit ist, Erfahrungen weiterzugeben – aber auch zuzuhören.“
Gerade die jüngere Generation bringt oft neue Perspektiven mit, von denen auch erfahrene Führungskräfte extrem profitieren können, wenn sie es zulassen.
Führung heißt zuerst: Interesse am Menschen
Was bei Sandra immer wieder durchklingt, ist der Wunsch nach echter Begegnung. Nicht nur Prozesse managen, sondern Beziehungen aufbauen. Ihr Leadership-Verständnis ist tief verwurzelt in der Überzeugung, dass gute Führung mit guter Kommunikation beginnt.
Sandra: „Ich will meine Mitarbeiter*innen nicht nur als Rolle sehen, sondern als Menschen – mit allem, was dazugehört. Nur wenn ich weiß, wo jemand wirklich gut ist, wo jemand aufblüht, wo jemand Energie bekommt, kann ich Führung sinnvoll gestalten. Dafür braucht es nicht nur Tools, sondern Zeit.“
Sandra zitiert eine Studie der University of Kansas, laut der es im Schnitt 74 Stunden Socializing braucht, bis sich aus einer Bekanntschaft eine echte Verbindung entwickelt.
Creative Region: „Das ist spannend – und erklärt vielleicht auch, warum klassische Vorstellungsgespräche oft nicht ausreichen, um Potenziale wirklich zu erkennen.“
Sandra: „Genau. Ich setze daher stark auf Deep Dives – sei es durch Gespräche, durch gemeinsame Aktivitäten oder auch gezielte Übungen in Führungstrainings, bei denen die Teilnehmer*innen sich gegenseitig vorstellen müssen. Dabei merken sie oft selbst, wie wenig sie wirklich über die anderen wissen.“
Positive Leadership: Emotionale Befindlichkeit hat messbare Auswirkungen auf die Unternehmensleistung
Creative Region: „Du hast erwähnt, dass emotionale Bindung im Team messbare Auswirkungen hat. Wie lässt sich das konkret fassen?“
Sandra: „Laut einer Harvard-Studie hängen bis zu 30 % der Unternehmensleistung von der emotionalen Befindlichkeit der Mitarbeitenden ab. Das ist keine nette Idee – das ist knallharte Realität. Burnout, Fehlzeiten, Fluktuation – all das kostet Unternehmen Unsummen. Wer positiv führt, spart nicht nur Kosten, sondern gewinnt Loyalität und Engagement.“
Creative Region: „Und was bedeutet das in der Praxis?“
Sandra: „Ich arbeite mit vielen konkreten Tools. Zum Beispiel: Energizing Feedback. Statt nur zu sagen „gut gemacht“, sage ich zum Beispiel: „Wie ruhig und klar du in der stressigen Situation geblieben bist, hat mich echt beeindruckt.“ Damit fühlen sich Menschen gesehen – als Mensch, nicht nur als Funktion.“
„Bis zu 30 % der Unternehmensleistung hängen von der emotionalen Befindlichkeit der Mitarbeitenden ab. Das ist keine nette Idee – das ist knallharte Realität.“
Female Empowerment: Weibliche Leadership-Skills gezielt nutzen
Ein zentrales Thema des Gesprächs ist die gezielte Förderung von Frauen. Sandra beobachtet immer wieder, dass viel Potenzial ungenutzt bleibt.
Sandra: „Ich erlebe so viele Frauen in Coachings, die zögern, wenn eine neue Position ausgeschrieben wird. Die denken: “Vielleicht fehlt mir da noch was. Vielleicht kann das jemand anders besser.“ Und das ist schade. Deshalb plane ich zum Beispiel ein Female Leadership Retreat, bei dem es um Selbstwert, Auftritt, Haltung und Energiemanagement geht. Man muss nicht alles schon können – man darf auch hineinwachsen.
Studien zeigen längst, was ich in der Praxis ständig erlebe: Frauen punkten in 17 von 19 Leadership-Skills besser als Männer – unter anderem bei Kommunikation, Empathie, Integrität und der Fähigkeit, Teams zu entwickeln. Trotzdem trauen sich viele Frauen noch immer zu selten, diese Qualitäten in Führung zu bringen. Mein Ansatz: raus aus dem „Ich muss erst noch…“, rein in die eigene Wirksamkeit. Es geht nicht darum, männliche Führungsstile zu kopieren, sondern die eigenen Stärken zu erkennen – und mutig einzusetzen.“
Female Leadership ist kein Trend – es ist die Zukunft
Für Sandra ist klar: „Die Welt braucht mehr weibliche Führung – nicht weil Frauen ‚besser‘ sind, sondern weil wir Vielfalt, Empathie und nachhaltige Lösungen dringend brauchen.“ Female Empowerment bedeutet für sie nicht nur Aufstieg auf der Karriereleiter, sondern innere Klarheit, ein sicherer Auftritt und das Vertrauen, den eigenen Weg zu gehen – auch wenn er nicht linear verläuft. „Wer sich selbst gut führt, kann auch andere gut führen.“ Darum geht es in ihren Coachings, Retreats und Vorträgen: Female Leadership mit Haltung, Herz und Humor.
Fehlerkultur, Kommunikation, Menschlichkeit: Was Unternehmenskultur wirklich prägt
Leadership bedeutet nicht nur, Stärken zu erkennen, Energie gut zu managen und gut zu kommunizieren – sondern auch, authentisch mit Unvollkommenheit umzugehen. Denn selbst die besten Führungskräfte machen Fehler. Entscheidend ist nicht, ob etwas schief läuft, sondern wie damit umgegangen wird. Sandra betont, dass gerade in einer von Wandel geprägten Arbeitswelt eine gesunde Fehlerkultur essenziell ist – nicht nur für Innovation, sondern für Vertrauen, Sicherheit und Zusammenarbeit im Team.
Creative Region: „Wie schafft man es als Unternehmen, echte Fehlerkultur zu etablieren – statt sie nur auf Plakate zu schreiben?“
Sandra: „Indem man sie vorlebt. Wenn eine Führungskraft sagt: Das war mein Fehler – das tut mir leid – dann öffnet das Räume. Viel wichtiger als Hochglanzwerte an der Wand sind Verbindlichkeit und Authentizität. Reden hilft. Zuhören noch mehr.“
Creative Region: „Aber das ist nicht immer einfach, oder? Wir neigen ja dazu, vor allem unter Druck wieder in alte Muster zu fallen.“
Sandra: „Deshalb setze ich auf regelmäßige Einzelcoachings – nicht als Ausnahme, sondern als nachhaltige Praxis. Weil viele sich auch eine*n Sparring Partner*in wünschen, mit dem/der sie Dinge besprechen können. Ich finde außerdem immer, es darf alles mit etwas Leichtigkeit gehen – man kann auch Dinge mit Leichtigkeit lernen. Und Erfolge zu feiern, auch die kleinen. Ein wichtiger Teil von Positive Leadership ist ‚Accomplishment'“ (Anm. Aus dem PERMA-Lead-Modell des US-amerikanischen Psychologen Martin Seligman).
Persönlicher Kontakt: Die unterschätzte Superkraft
Im digitalen Zeitalter wird vieles schriftlich abgewickelt – schnell, effizient, aber oft auch distanziert. Sandra plädiert deshalb für ein bewusstes Zurück zum persönlichen Gespräch:
Sandra: „Ich finde es ehrlich gesagt ganz schrecklich, dass so viele Meetings online stattfinden, obwohl alle im selben Gebäude sitzen.“
Sie beobachtet, dass oft E-Mails geschrieben werden, um Themen „vom Tisch“ zu haben – anstatt sie wirklich zu klären.
Sandra: „Dieser Impuls, alles sofort schriftlich zu erledigen, geht oft zulasten echter Verbindung.“
Stattdessen ist sie für den direkten Austausch – am Telefon, im Büro, im Gehen. Gerade wenn es hakt, braucht es kein weiteres Mail, sondern ein ehrliches Gespräch.
Sandra: „Die einzige Extrameile (ja, ein Buzzword, das schon keiner mehr hören kann *lacht*) – die einzige Extrameile, die wirklich zählt, ist die menschliche.“
Diese Haltung zieht sich wie ein roter Faden durch ihre Arbeit – und ist gleichzeitig der Schlüssel für positive Leadership, starke Teams und eine gesunde Unternehmenskultur.
Fazit: Leadership mit Haltung, Mut und Leichtigkeit
Sandra Manich steht für eine neue Art von Führung. Eine, die nicht von Kontrolle lebt, sondern von Vertrauen. Eine, die nicht fragt: Wie optimiere ich Prozesse, sondern: Wie ermögliche und entwickle ich Potenzial?
Danke für das inspirierende Gespräch!
