Was passiert, wenn ein jahrhundertealtes Amtsverständnis auf die Realität des heutigen Arbeitsmarkts trifft? Das Land Oberösterreich hat sich dieser Frage gestellt – und mit einer Employer Branding Kampagne geantwortet, die vieles anders macht als erwartet. Wir haben mit Ingrid Kreiter, Employer Branding-Verantwortliche beim Land OÖ, und Walter Stromberger, Geschäftsführer der Agentur kest, gesprochen – über Werte, Vorurteile, Designprozesse und darüber, wie man Mitarbeitende wirklich erreicht.
Der Anlass: Eine Herausforderung von historischer Dimension
Ingrid:
„Bis 2030 gehen bei uns rund 5.000 Mitarbeitende in Pension. Das ist fast die Hälfte der gesamten Belegschaft. Und wir reden hier nicht nur von klassischen Verwaltungsberufen, wir haben über 80 verschiedene Berufsbilder. Von der Amtsärztin über den Sozialarbeiter bis hin zur Optikerin, die in unseren Schulen Sehtests durchführt.“
Was sich anhört wie eine dramatische Statistik, ist Alltag in vielen öffentlichen Verwaltungen. Doch das Land OÖ hat früh erkannt: Der drohende Personalmangel lässt sich nicht mit klassischen Jobinseraten lösen.
Ingrid:
„Wir brauchen ein neues Selbstbild als Arbeitgeber. Und dafür muss man auch das eigene Image ehrlich reflektieren. Die Verwaltung wird oft als starr, verstaubt, hierarchisch wahrgenommen. Diese Image hilft natürlich nicht, um engagierte Menschen anzuziehen.“
Und doch: Das Land hat etwas, was viele Unternehmen mühsam in Workshops erarbeiten müssen: einen klaren Sinn, einen eindeutigen Purpose.
„Wir brauchen nicht lange nach unserem Purpose zu suchen. Wir arbeiten für die Lebensqualität der Menschen in Oberösterreich.“
Ingrid Kreiter, Land OÖ
Zwischen Kulturwandel und Markenprozess
Bevor es zur Kampagne kam, wurden die Weichen intern gestellt: mit einer Markenbildanalyse und einem intensiven Kulturentwicklungsprozess.
Ingrid:
„Wir wollten keine hohle Kampagne, sondern eine Identität, die zu uns passt. Unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben ein Recht darauf, dass ihr Arbeitgeber sichtbar macht, wofür er steht. Unsere Werte sind herzlich, tatkräftig und aufgeschlossen. Und das wollten wir zeigen, nach innen wie nach außen.“
An dieser Stelle kam kest ins Spiel – eine Agentur, die für konzeptstarke, mutige Kommunikation steht.
Walter:
„Wir haben oft Briefings, die aus dem Nichts entstehen. Aber hier gab es eine Basis, das war von Anfang an spürbar. Es ging nicht nur um eine Kampagne, sondern darum, ein ganzes Selbstbild neu zu gestalten.“
Der kreative Prozess: Weg von typischen Employer-Branding-Sujets
Wer heute durch Linz fährt, kommt an ihnen kaum vorbei: Plakate mit humorvollen Headlines wie „Arbeiten mit 400 PS“ – immer mit einem Augenzwinkern, nie beliebig.
Walter Stromberger, kest
„Unser Ausgangspunkt war: Wenn wir Employer Branding machen, dann nicht so wie alle anderen. Wir wollten weg von typischen Sujets, die man an jeder Ecke sieht.“
„Arbeiten für Millionen – das war unser Narrativ. Nicht für Millionen Euro, sondern für Millionen Mitbürger*innen.“
Diese Formulierung wurde zum Herzstück. Sie schärft den Purpose. Sie schafft Reibung. Und sie erlaubt eine Vielfalt an Umsetzungsmöglichkeiten – mit Humor, Selbstbewusstsein und überraschenden Motiven.

Farbe bekennen: Die Marke wird bunt
Auch visuell war klar: Die neue Marke muss sich sichtbar von alten Vorstellungen lösen.
Ingrid:
„Wir wollten keine graue Behördentonalität. Und wir wollten Farbe bekennen – im wörtlichen Sinn. Wichtig war uns zum Beispiel, dass Orange Teil des Farbspektrums wird, weil unsere Kolleg*innen in der Straßenerhaltung Orange tragen. 1.200 Menschen, die sonst oft nicht wahrgenommen werden.“
Dieser Wunsch wurde im Agenturprozess konkretisiert: In mehreren Feedbackschleifen und Abstimmungen wurde ein Farbkonzept entwickelt, das Vielfalt, Lebensfreude und Haltung vermittelt.
Walter:
„Gerade bei öffentlichen Auftraggeber*innen muss man aufpassen, dass Farbe nicht automatisch politische Zuschreibungen triggert. Gleichzeitig wollten wir zeigen: Das Land ist bunt. Nicht plakativ, sondern substanziell.“
Ein Launch, der von innen kommt
Ein entscheidender Erfolgsfaktor: Die neue Arbeitgebermarke wurde zuerst intern vorgestellt , mit überraschendem Erfolg.
Ingrid:
„Wir haben das Ganze umgedreht. Keine Kampagne nach außen ohne internes Commitment. Also haben wir die Marke zuerst im Intranet, über Newsletter, und sogar über 4.000 Türhänger vorgestellt. Jeder konnte sich via QR-Code ein Merchandise-Produkt im neuen Design bestellen, und wir wurden überrannt.“
Die Menschen reagierten – mit Stolz, Neugierde und Begeisterung.
„Ich saß im Zug, klappe meinen Laptop zu – das neue Logo ist drauf. Die Dame gegenüber sagt: ‚Arbeiten Sie auch fürs Land? Ich wollte heute meine Sportsocken anziehen…‘ „Da wussten wir: Es funktioniert.“
Keine Angst vor Reibung
Dass Employer Branding nicht allen gefallen muss, war von Anfang an Teil des Plans. Aber: Der befürchtete Gegenwind blieb weitgehend aus.
Ingrid:
„Natürlich gab es Fragen zu einzelnen Sujets, zu Formulierungen. Aber es war nie Grundsatzkritik. Im Gegenteil: Die Rückmeldungen waren großteils enthusiastisch. Besonders aus Bereichen, wo man es vielleicht nicht erwartet hätte, wie den Straßenmeistereien.“
Walter:
„Es ist einfach ein Unterschied, ob etwas nur hübsch ist oder ob es berührt. Und das hat diese Kampagne geschafft. Weil sie ehrlich ist.“

Sichtbarkeit, die bleibt
Seit dem offiziellen Rollout Anfang 2025 ist viel passiert. Die Kampagne ist präsent: auf Plakaten, auf Dienstautos, auf Mesh-Bannern an Bauzäunen. Die Farben leuchten, die Botschaften bleiben hängen.
Ingrid:
„Manchmal hat man das Gefühl, die Kampagne ist immer noch im Start, weil ständig neue Reaktionen kommen. Das ist das Schöne: Es ist kein Strohfeuer, sondern ein Prozess, der weiterlebt.“
Was bewirkt eine Kampagne, die nicht nur sichtbar, sondern auch spürbar ist?
Ingrid:
„Wir haben keine große qualitative Befragung durchgeführt, aber bestimmte Zahlen zeigen klar, dass sich etwas bewegt hat.“
Die Effekte lassen sich auf mehreren Ebenen ablesen:
- 109 % mehr Seitenansichten auf dem Karriereportal im Kampagnenmonat Jänner 2025 im Vergleich zum Jänner des Vorjahres.
- 3.000 Seitenzugriffe innerhalb der ersten zwei Wochen auf der speziell eingerichteten Landingpage – obwohl die URL nur dezent auf den Plakaten platziert war.
- +23 % mehr Instagram-Follower in dem Monat, in dem die Kampagne gestartet wurde (ohne bezahlten Push)
- +32 % mehr LinkedIn-Follower, gestützt durch ein gezieltes Corporate-Influencer-Programm und starke interne Mobilisierung.
Walter:
„Das zeigt, wie stark sich so eine Kampagne entfalten kann, wenn sie nicht nur auf Aufmerksamkeit, sondern auf Haltung zielt.“
Und auch die externe Anerkennung blieb nicht aus:
Ingrid:
„Wir wurden dreimal ausgezeichnet – zweimal mit Gold, einmal mit Bronze (Anm. d. Redaktion: beim Employer Branding Award DACH 2025). Und das in Kategorien wie Strategie, Internes Employer Branding und Attraction, sprich: Recruiting. Unsere Mitbewerber waren keine kleinen Namen: Coca-Cola, Deloitte, PwC. Das war für uns eine Bestätigung, dass wir nicht einfach nur laut, sondern wirklich wirksam kommuniziert haben. Die Kampagne ist mehr als Kommunikation. Sie zeigt: Das Land OÖ kann auch Vorreiter sein.“

Employer Branding als Haltung, nicht als Maßnahme
Walter:
„Was uns als Agentur am meisten beeindruckt hat, war nicht die Geschwindigkeit, sondern die Ernsthaftigkeit. Dieses Projekt war kein Kommunikationshäkchen, sondern ein echter Kulturwandel.“
Ingrid:
„Wir wollten zeigen, dass eine Verwaltung auch herzlich sein kann. Dass Objektivität und Menschlichkeit kein Widerspruch sind. Und dass wir als Land ein Arbeitgeber mit Haltung sind.“
Walter:
„Und genau deshalb ist dieses Projekt auch intern bei uns so nachgeklungen. Es hat bei uns Diskussionen angestoßen – über Haltung, Verantwortung, und darüber, welche Art von Kund*innen wir als Agentur eigentlich begleiten wollen.“
Die Kampagne für das Land OÖ war für Walter und sein Team deshalb nicht nur ein Projekt – sondern eine Wegmarke. Eine Erinnerung daran, dass Employer Branding dann am stärksten wirkt, wenn es nach innen und außen transformiert.
2002 von Christoph Kerschner und Walter Stromberger in Linz gegründet, mit dem Hintergrund der Kunstuniversität Linz, steht Creative Region Member kest für die Idee, die als Basis aller Projekte im Fokus steht.
Die Vielfalt der Kund*innen und Projekte lässt sich einzig mit den Begriffen „Kommunikation“ und „Werbung“ fassen – und zeigt, dass jede Markenentwicklung, jede Identität, jedes Corporate Design und jede Kampagne letztlich einfach Kommunikation und Werbung sind. Unabhängig von Medien, unabhängig von Kanälen, unabhängig von Branchen, unabhängig von Unternehmensgrößen. Was zählt, ist die Idee. Und der Spirit der/s Kund*in.
Danke an Ingrid Kreiter und Walter Stromberger für das Gespräch!