Alles wird anders, nur keiner weiß wie…
… und doch haben wir Hebel in der Hand, die es uns erlauben, die Richtung mitzu bestimmen. Denn es geht darum, als Unternehmen, Mitarbeiter*in oder Marke relevant zu bleiben. Um auch in Zukunft einen Platz am Tisch zu haben. Was bedeutet das für die Creative Industries? Wie werden wir morgen gestalen, produzieren, interagieren? Wie schaffen wir Botschaften, die wirklich berühren? Die bleiben, statt zu verblassen?
Diese und viele weitere Fragen diskutierten wir bei Future m[eats] Creativity?: Handverlesene Impulse trafen auf Fine Dining, internationale Vordenker*innen auf 120 neugierige und zukunftshungrige Gäste. Zwei Begriffe zogen sich durch den Abend wie ein roter Faden: Relevanz und Experience. „Nie war es so leicht, Menschen zu erreichen und nie so schwer, sie zu berühren“, meinte Speakerin Barbara Kastlunger. Die fünf Impulsvorträge machten deutlich, dass wir in Zeiten rasanter technologischer Sprünge auch Haltung, Relevanz und Menschlichkeit wieder stärker als differenzierende Erfolgsfaktoren im Blick haben sollten.
“Technologie entwickelt sich exponentiell – wir Menschen aber nur linear. Genau dazwischen entsteht der Raum für Innovation.”
Foresight- und Innovationsberater Norbert Hillinger eröffnete den Abend mit einem klaren Blick auf eine Welt, in der technologische Entwicklung exponentiell wächst, während der Mensch linear bleibt. Genau in diesem Spannungsfeld – dem Reality Gap – sieht er das Feld, in dem Neues entstehen kann:
• “Third Places“ als unterschätzte Märkte, an denen wir uns neben Zuhause und Arbeit aufhalten, sind echte Experience-Touchpoints, die Unternehmen nutzen können: Wie lassen sich etwa die 30 Minuten, die man für das Laden eines E-Autos braucht, in eine Experience verwandeln? Wie kann man diese Zeit und diesen Raum sinnvoll bespielen?
• Zukunftsmärkte lokal gedacht: Für Hillinger spiegeln sich globale Phänomene in regionalen Mikroökonimien wieder: Am Attersee zum Beispiel entstehen Unternehmen, die sich um die leerstehenden Villen dort kümmern. Solche lokalen und regionalen Wirtschaftszweige werden in Zukunft an Relevanz gewinnen.
• Gegentrend statt Trend-Bingo: Innovation entsteht dort, wo man Muster hinterfragt, Gegentrends erkennt und Dinge bewusst anders denkt. Spannend: In Oberösterreich verfügen etwa 10,000 Unternehmen eine eigene Innovationsabteilung.

„Je mehr Sinne involviert sind, desto nachhaltiger und berührender wirkt eine Experience auf unser Nervensystem“
Mit analytischer Klarheit und viel Empathie stellte Jeanny Gucher die ökonomische Denkweise unserer Zeit auf den Kopf. Wahre Produktivität beginnt dort, wo wir die Fähigkeit trainieren, das Wesentliche zu erkennen und Bedeutung zu schaffen:
• Vier „Hacks“ für eine Welt jenseits der Effizienzökonomie:
Jeanny gibt uns ihre Erfolgsfaktoren mit auf den Weg: 1. Kuratiertes Wissen: Wir müssen überlegen, welches Wissen in unserer Organisation unserem Unternehmen relevant ist und wie wir es sinnvoll weiter nutzen können. 2. Präsenz: Heißt in diesem Fall, mit der Aufmerksamkeit zu 100% bei der Sache zu sein, die man gerade tut. Diese Präsenz verleiht Aufmerksamkeit den maximalen Wert. 3. Sinnvolle Experiences mit Tiefgang gestalten: Je mehr Sinne involviert sind, desto nachhaltiger ist eine Experience. 4. „Speed of Trust“ (Konzept von Stephen M.R.Covey): Je mehr Vertrauen in einem Systemoder zwischen Menschen existiert, desto schneller sind wir im Entwickeln & Innovieren.
• Produktivität ≠ Tempo: Jeanny plädiert dafür, Urteilsfähigkeit und kritisches Denken zu trainieren, um Relevantes wirklich zu erkennen. Tempo zählt weniger als Relevanz, und Relevanz entsteht u.a. durch Reduktion von “Rauschen” im Arbeitsalltag (z.B. Hinterfragen der Sinnhaftigkeit von Meetings).
• Experience Management : Die Leader*innen der Zukunft müssen für ihre Mitarbeiter*innen Experiences schaffen, um sie zu gewinnen und zu halten. Kontinuierliches Lernen und das Überwinden von eigenen Widerständen sollten integraler Bestandteil dieser Experiences sein.

„Die Zukunft wird nicht danach fragen, was du kannst, sondern wie schnell du in der Lage bist zu lernen“
Martina Gaisch, Leiterin des Studiengangs Design of Digital Products an der FH Hagenberg, zeigte, dass die Zukunft der Arbeit nicht von Tools, sondern von Menschen abhängt, die bereit sind zu lernen.
• Vom Wissen zum Verstehen: Wissen allein reicht nicht mehr, entscheidend ist, wie wir es interpretieren. Sinn und Zusammenhänge zu erkennen wird immer relevanter. KI kann Informationen schnell verarbeiten, aber Verstehen entsteht erst durch Kontext, Intuition, Humor und Empathie: menschliche Fähigkeiten, die wir trainieren können.
• Neue Lernlogiken: Kognitive Flexibilität und Ambiguitätstoleranz werden zu zentralen Fähigkeiten. Dazu gehört auch, Wissen zu hinterfragen und auch wieder zu verlernen, wenn es überholt ist. Alte Überzeugungen loszulassen, wenn sie nicht mehr tragen. Gaisch spricht von der Notwendigkeit, “Wissen nicht nur anzuhäufen, sondern es auch wieder zu entlernen”.
• Die Zukunft gehört vernetztem Denken und den sogenannten “Z-Skills”: Die Zukunft gehört Menschen, die in der Lage sind, Wissen aus unterschiedlichen Bereichen miteinander zu verknüpfen, und z.B. technische Kompetenz mit sozialem Gespür zu verbinden.

„Zwischen Überreizung und Langeweile liegt das optimale Aktivierungsniveau; Neugier und Erwartung muss man clever nutzen, statt nur immer kürzere Reize zu feuern.“
Markenpsychologin Barbara Kastlunger zeigte, wie Aufmerksamkeit funktioniert – und warum sie heute unsere knappste Ressource ist. Ihre Botschaft: Nur wer Emotion und Bedeutung stiftet, wird im Reizgewitter wahrgenommen.
• Aufmerksamkeit als “Eintrittstor”: Im Schnitt bleiben 1,7 Sekunden Aufmerksamkeitsspanne, um Relevanz zu erzeugen, alles andere geht im Reizrauschen unter.
• Neugier statt Überreizung: In unserer aktuellen Dopamingesellschaft braucht Kommunikation Pausen, Spannung und Erwartung statt Dauerbeschallung.
• Emotion als Filter: Nur was berührt, bleibt. Relevanz schlägt Reichweite, Bedeutung und Zugehörigkeitsgefühl schlagen Lautstärke.

“Wir schaffen Erlebnisse, bei denen sich Menschen mit einer Marke auseinandersetzen, sie atmosphärisch kennenlernen und Teil einer Haltung werden.”
Franz Riebenbauer, CEO und Creative Director des international renommierten Studio Riebenbauer, schloss den Abend mit einer eindrucksvollen Hommage an die Kraft des Erlebens mit allen Sinnen. Seine Projekte zeigen, dass Unternehmen heute keine Produkte, sondern Haltungen verkaufen.
• Von Sekunden zu Stunden: Riebenbauer zeigte, wie sich Menschen im Schnitt sieben Stunden mit einer Marke beschäftigten, wenn sie Teil eines immersiven Raumes werden – statt nur durchschnittlich 1,7 Sekudnen auf dem Screen zu verweilen.
• “Sinnlichkeit” schaffen: Am Beispiel von Biogena in Salzburg erzählte er, wie Marke und Raum miteinander verschmelzen können. Besucher*innen betreten dort auf dem Weg in den Shop einen sogenannten Transformations-Tunnel, der sie mit Licht, Klang und Duft auf eine Reise durch die Markenphilosophie führt.
• Marken als kulturelle Räume: Beim Venice Beach Football Club verwandelte Riebenbauer ein digitales Street-Soccer-Projekt in eine gelebte Community. Das Design- und Markenprojekt schafft Identität über Sport, Musik und Design und macht aus einem Content-Format eine Haltung.

5 Fragen, die wir uns aus dem Abend mitnehmen
… Fragen, die nachhallen, weil sie unsere Haltung zu Zukunftsthemen betreffen. Fragen, die sich jede*r von uns stellen kann, im Team, in der Organisation, oder in Selbstreflexion.
Wie funktioniert Lernen für uns als Menschen bzw. Organisationen?
Wie können wir in unseren Organisationen und Teams Lernen als Gewohnheit – oder mehr noch, als Haltung etablieren? Regelmäßig, typgerecht, als fester Bestandteil unseres Alltags.
Wo liegt die Balance zwischen analog und digital?
Zwischen Zoom und echtem Austausch, zwischen KI-Input und menschlicher Intuition: Wo kippt Effizienz in Entfremdung und wieviel Nähe braucht gute Zusammenarbeit?
Wer kuratiert unser Wissen?
Selektion wird zur Kernkompetenz. Welche Informationen verdienen Platz in unseren Köpfen und wer entscheidet darüber im Team und im Unternehmen?
Wie mutig sind wir?
Fokus auf Relevanz heißt auch, teils unangenehme Entscheidungen zu treffen und zu kommunizieren. Dinge neu zu denken und Handlungen zu setzen. Mut zur Lücke und klarer Kommunikation wird zur Voraussetzung für Impact.
Wie ensteht echtes „Brand Bonding“?
Markenbindung entsteht durch Resonanz. Wenn Marken Räume schaffen, in denen Menschen sich wiederfinden. Wenn sie berühren statt beeindrucken. Dann wird Marke zur Erfahrung, und Beziehung zur Währung. Wie können wir das für unsere eigenen Unternehmen und die unserer Kund*innen sicherstellen?
Impressionen des Abends





