CREATIVE REGION: Was macht Newsadoo?
Johannes Knierzinger: Newsadoo ist ein europäisches Nachrichtensystem. Unser Ziel ist es, den Lesern ein System oder einen Service zu bieten, mit dem man all seine Nachrichten in einem System lesen kann. Und das barrierefrei über alle Endgeräte. Die große Idee dahinter: Ein digitales Geschäftsmodell für Verlage schaffen, also eines das auch im digitalen Segment funktioniert. Und die große Herausforderung, die wir dabei haben ist, dass wir die Aufmerksamkeit der Leser wieder auf Nachrichten lenken. Das machen wir mit einem System, das dem Leser User Experience bietet, mit der er zufrieden ist, das Services und Features bietet, die der Leser spannend findet. So, dass er seine Zeit nicht damit verbringt Fortnite zu spielen oder auf Tinder, Netflix oder Prime unterwegs zu sein, sondern dass er, wenn er sein Handy in die Hand nimmt und Nachrichten konsumieren will, auf ein System klicken kann, das alles beinhaltet.
David Böhm: Es geht vor allem um das digital übergreifende News-Konsumieren. Man kann mit allen digitalen Geräten, mit denen man über den Tag hinweg konfrontiert ist, auf den gleichen Kern zugreifen. Steht man in der Früh mit Alexa auf bekommt die wichtigsten fünf Nachrichten vorgelesen, kann man sagen: „Alexa, das ist für mich interessant. Bitte bookmarke das.“ Dann sehe ich das Gleiche am iPhone, genauso wie am Microsoft PC-Desktop in der Arbeit usw. – quer über alle Geräte über den Tag hinweg. Ich greife auf den gleichen Kern zu und dieser lernt aus meinem Verhalten, damit ich das bekomme, was für mich relevant ist, in der richtigen Situation.
CREATIVE REGION: Worin besteht der Mehrwert für die NutzerInnen?
Johannes Knierzinger: Der große Mehrwert für den Nutzer ist, dass es sich um ein sehr einfaches Nachrichten konsumieren handelt. Derzeit ist Nachrichtenkonsum davon geprägt, dass man zwischen Apps, Websites, Services hin- und herswitchen muss. Du hast die Ladezeiten, die Cookie-Banner, die GDPR-Banner, du hast mehrere Subscriptions, die du machen kannst, in Newsadoo hast du alles in einem System und das System ist darauf getrimmt, dass die Nachrichten wieder relevant werden. Das machen wir hauptsächlich mit unserer Technologie im Hintergrund.
David Böhm: Wir holen den ganzen Content von unterschiedlichen Quellen, jenen Quellen, die für einen User relevant sind und denen er vertraut. Das speichern wir bei uns am Server und analysieren das automatisch mit Natural Language Processing. Das heißt wir extrahieren aus dem Text heraus alle Daten, die möglich sind. Das sind einerseits Tags, andererseits Locations. Wir können so ganz genau zuweisen, an welchem Ort ein Artikel relevant ist, ob er regional, national oder international relevant ist. Wir wissen, wie die Tags zueinander in Beziehung stehen, wie relevant ein Tag in einem Artikel jeweils ist.
Aus diesen Daten errechnen wir einen mathematischen Vektor, der dann objektiv diesen Artikel bis ins Detail beschreibt. Und dann können wir Vektoren miteinander vergleichen, können so Artikel, die zum gleichen Thema geschrieben wurden, bündeln. Wir können sie kategorisieren und wir können die Machine Learning-Algorithmen mit diesen Daten füttern. So entsteht letztendlich ein User-Vektor, der den User ganz genau beschreibt, weil er im System Artikel aufruft, bookmarked, liked. Diese Interaktionen ergeben aufsummierte Artikelvektoren, quasi den User-Vektor. Im Endeffekt ist das die Systematik im Hintergrund, die so in dieser Form technologisch in Europa im Mediensegment führend ist. Das wurde uns im letzten bei Messen und Konferenzen, bei denen wir dabei waren, bestätigt: Ein USP, mit dem wir niemanden sonst in Europa sehen, niemand ist technologisch in dieser Form so weit.
CREATIVE REGION: Wie schafft ihr es als junge Firma erfahrene MitarbeiterInnen zu gewinnen und zu halten?
David Böhm: Das Wort Mitarbeiter gefällt mir an sich nicht so gut. Weil Mitarbeiter nach Mitläufer oder „auch dabei sein“ klingt. Das ist eigentlich ganz konträr zu dem, wie wir im Team aufgestellt sind. Wo jeder initiativ wird, jeder Verantwortung übernimmt und in seinem Kompetenzbereich Dinge gestaltet, wie er sie einbringt und für richtig hält. Das ist schon ein ganz wesentlicher Faktor. Man sieht ganz klar bei der Weiterentwicklung von Newsadoo, jede Woche oder jede Etappe mit der wir wieder ein Ziel erreichen, dass jeder einzelne auch merkt, ohne ihn wäre das nicht so gut gelaufen. Das ist eine große und gute Dynamik, die für jeden spannend ist.
Was auch interessant ist, im bestehenden Kernteam, haben wir keinen einzigen Job ausgeschrieben, sondern jeder einzelne des Teams ist in irgendeiner Form auf uns zugekommen und hat gesagt: „Hey, das ist cool. Kann ich da mitarbeiten für diesen oder jenen Bereich.“ So hat sich das zu einer sehr zusammengeschweißten Truppe entwickelt, wo jeder an das Projekt glaubt und das auch umsetzen möchte.
Johannes Knierzinger: Das Mitgestalten im Team ist spannend. Was auch noch dazukommt: Bei mir waren die Plakate der Auslöser, so habe ich Newsadoo kennengelernt. Wir haben uns drei Tage später getroffen, der Dienstvertrag war schon auf dem Tisch. Es ist natürlich auch die Vision dahinter, die motiviert, das was wir damit erreichen wollen. Wir wollen einen Gegenpol aufbauen, einen europäischen, zu Facebook, zu Google, zu Apple bzw. auch zu den chinesischen Konkurrenten von Toutiao und Bytedance. Diese Vision zählt natürlich auch stark dazu.
CREATIVE REGION: Wie schafft ihr es, bei Messen und Events an die richtigen Leute zu kommen?
David Böhm: Wir haben den Anspruch, dass wir in Europa in der Medienlandschaft wirklich etwas verändern wollen. Insofern wollen und müssen wir von Anfang an ein internationales Unternehmen sein. Und ein internationales Unternehmen wird man nicht, wenn man auf der Homepage schreibt man hat einen Standort in Berlin, im Silicon Valley und in Paris, sondern indem man auch von Linz aus – weil wo man zuhause ist, ist mittlerweile egal – unterwegs ist, dass man präsent ist in Europa und in der Welt, dort wo man die relevanten Leute trifft und sich mit ihnen vernetzt. Und das machen wir seit einem halben Jahr sehr umtriebig.
Johannes Knierzinger: Wie wir wahrgenommen werden hat zwei Hintergründe, warum das gerade so gut funktioniert. Wir haben Partner, die uns unterstützen, z. B. die CREATIVE REGION, Next Media Accelerator, Media Lab Bayern, die in ihrer Tätigkeit an die Vision von Newsadoo glauben und uns mit den relevanten Personen vernetzen. Das andere ist das klassische operative Arbeiten vor einer Messe, du musst dir ansehen, wer die Teilnehmer sind und wie du sie erreichen kannst. Wir arbeiten gerade stark mit Linkedin und unterschiedlichen Tools, mit denen wir die Kontaktdaten herausbekommen, um auch schon vorab die direkte Ansprache zu ermöglichen. Es funktioniert nicht immer, dass man gleich einen Termin bekommt, aber wenn man vor Ort auf die Person trifft, hat man zumindest schon das Intro und die Person ist mehr gewillt mit einem zu sprechen.
CREATIVE REGION: User generated content, print, digital. Wo geht die Reise im Journalismus hin?
Johannes Knierzinger: Ich sehe zwei wichtige Entwicklungen derzeit, die wahrscheinlich kommen werden. Das eine ist bei der Contenterstellung das Thema Roboterjournalismus, sprich Computerprogramme und -scripts schreiben den Content. Da wird die große Frage sein, ob das eher etwas Unterstützendes für den Journalisten ist oder etwas das journalistische Tätigkeit ablöst. Das ist natürlich eine Entwicklung, die man sehr kritisch beobachten muss. Und das zweite Thema ist das Thema der Distribution, die Personalisierung relevanter Nachrichten. Das ist sicher das, was die Branche die nächsten Jahre und Jahrzehnte beschäftigen wird. Da ist der Zugang, welche Form von Algorithmus entscheidet darüber.
Es gibt in der Branche derzeit zwei große Algorithmen. Der Facebook-Algorithmus präferiert emotionalisierten Content und pusht diesen, was natürlich im Sinne eines sozialen Netzwerks ist. Das Pushen von emotionalisiertem Content führt aber zu echo chambers, filter bubbles, fake news und dergleichen. Der zweite Algorithmus ist der von Google, der Clickbaiting Headlines präferiert, denn Monetarisierung sind Klicks. Unser Algorithmus basiert anders. Wir sind kein soziales Netzwerk, wir sind auch keine Suchmaschine, wir können wirklich auf User-Interesse heruntergehen und es im Sinne der User machen.
CREATIVE REGION: Was sind eure Quellen, um immer bestens informiert zu sein?
Johannes Knierzinger: Ich bekomme meine Informationen grundsätzlich von drei Quellen. Das eine ist Poynter Institute, das zweite ist Nieman Lab, ohne die beiden würde meine Tätigkeit so nicht funktionieren, einfach vom Know-how her. Ich bekomme aber auch ganz viele Informationen derzeit von Publisher-Partnern, mit denen wir sprechen oder auf Messen und Kongresse, weil viele neue Trends vorgestellt werden und man in den Gesprächen mit den Publishern kennenlernt, was ihr Bedürfnis ist und wie wir darauf reagieren können.
David Böhm: Meine wichtigsten Quellen sind in Newsadoo – logisch. Welche das sind, sage ich nicht.
CREATIVE REGION: Wie schafft ihr es, euch zu fokussieren und nicht ständig am Handy zu hängen und News zu checken?
David Böhm: Ich kann jetzt nur für mich sprechen, als Selbstständiger, was ich seit vielen Jahren bin, unterscheide ich nicht zwischen Arbeit in der Arbeit oder Arbeit daheim oder Freizeit, das ist sehr verschwimmend. Es geht darum, dass es Dinge gibt, die gemacht werden müssen, bis zu einem Termin und die mache ich so, wie es sich gut ausgeht. Ich kenne die Vereinbarung dieser Dinge so nicht, weil alles wichtig ist, alles ist gleichermaßen wichtig. Und ich mache sie einfach.
Johannes Knierzinger: Ich kenne das aus einer ähnlichen Situation von früher. Vor allem im letzten Jahr, mit den Flügen und Veranstaltungen, bei denen wir Newsadoo präsentiert haben, bin ich ins komplette Gegenteil gerutscht. Ich versuche – das heißt nicht, dass das immer funktioniert, funktionieren tut es, weil ich die Unterstützung meiner Familie habe – in der Arbeit möglichst produktiv zu sein und dann zuhause die Arbeit bestmöglich auszublenden, indem ich das Handy einfach weglege; Handyfasten, würde ich sagen. Das ist das, was ich probiere. Nicht dass es immer funktioniert, aber ich versuche es.
David Böhm: Das ist sicher das Rezept, dass man da wo man gerade ist, voll dabei ist. Dann kannst du die Sachen nach der Reihe gut machen und hast überall Spaß dabei.
Johannes Knierzinger: Man hat unterschiedliche Benachrichtigungen am Handy und man muss priorisieren, welche Nachricht wichtig ist. WhatsApp ist etwas, worauf man auch im Privaten regelmäßig schaut. Wenn es etwas Dringendes ist, wirst du mir das eher per WhatsApp schicken und nicht per Slack, weil bei Slack werde ich es eher nicht wahrnehmen. Die Uhr ist z. B. auch ein gewisser Filter, bei der man nur die wichtigeren Nachrichten durchlässt und die unwichtigeren eher nicht.
CREATIVE REGION: Was kann man von euch in nächster Zeit Neues sehen?
Johannes Knierzinger: Wir sind jetzt natürlich wieder auf vielen Messen unterwegs. Wir sind gerade am Sprung nach Berlin bzw. nach Madrid. Wir sind dort von den Zeitungsverbänden eingeladen worden, um den Publishern Newsadoo zu zeigen. In Madrid reden wir mit Spotify und Netflix gemeinsam über Subscription-Modelle im Medienbereich. Das ist für uns eine große Ehre, auf so einer Ebene vorgestellt zu werden und ausgewählt worden zu sein.
CREATIVE REGION: Mit wem sollten wir unbedingt demnächst eine Creative Coffee Break machen?
David Böhm:: Wir haben ja für Newsadoo aus Linz die, wie ich meine, besten Leute für die Kompetenzbereiche, die wir brauchen, ins Boot geholt. Das ist für den Growth-Marketing-Bereich Pulpmedia, mit denen habt ihr schon was gemacht. Die anderen, für den technologischen Teil, Christoph Steindl von Catalysts. Also wenn ihr mit denen noch nichts gemacht habt, dann solltet ihr schnellstens dort vorbeischauen.