Teil des Projektes Creative Review
Drei Geschwister haben im Almtal den Familienbetrieb übernommen und setzen unter neuer Führung auf traditionelle Werte mit innovativen Designkonzepten. Sophie Wittmann erzählt, wie aus Wittmann die neue Marke TREWIT entwickelt wurde und wie sie Produktion und Design modernisiert.
Unternehmen, die in Garagen entstehen, gelten oft als legendär. Während Steve Jobs Apple in den 1970er Jahren in einer Garage in Nordkalifornien gestartet hat, war Sophie Wittmanns Urgroßvater im oberösterreichischen Scharnstein 100 Jahre früher dran. Was 1879 als Wagnerei startete, entwickelte sich über die Jahrzehnte und Generationen hinweg zu der in der Region bekannten Tischlerei Wittmann.
Davon sieht man aktuell wenig, wenn man das Werk besucht. „Wir befinden uns noch im Rebranding-Prozess“, erklärt Geschäftsführerin Wittmann, weshalb keine großen Tafeln auf das Unternehmen hinweisen. Im Zuge des Generationenwechsels gab das neue Führungsteam der Tischlerei auch einen neuen Namen: Aus Wittmann wurde TREWIT.
Von China nach Scharnstein
Aber wie kam es dazu? Eigentlich habe niemand der Kinder so richtig Interesse daran gezeigt, den Betrieb zu übernehmen. Es war schließlich ein Praktikum bei der Außenhandelskammer in der Stadt Guangzhou, das die Tochter des damaligen Geschäftsführers zum Umdenken brachte: „Ich habe gesehen, wie die Wertschöpfungsketten in China funktionieren und dabei wurde mir bewusst, wie wertvoll das, was wir zuhause haben, wirklich ist.“ So kam die Idee, das Traditionsunternehmen zu übernehmen und im Zuge dessen auch zu modernisieren.
Der Weg dorthin war kein schneller, sondern ein gut überlegter, denn Wittmann wollte sich auf ihre Entscheidung, in die Fußstapfen ihrer Vorfahren zu treten, entsprechend vorbereiten. Nach ihrem Bachelor-Studium für Entrepreneurship und Management an der FH Wien schloss sie im Jahr 2015 ein zweijähriges Kolleg für Holztechnik in Linz an. „Ich wollte das Handwerk und auch Inneneinrichtung verstehen“, sagt sie über ihre Weiterbildung. Erst nach Abschluss des Kollegs stieg sie offiziell als Vollzeitkraft in den Betrieb ein.
Wie die Betriebsübernahme von Vater Karl und Onkel Wolfgang genau aussehen wird, war noch nicht klar. Wittmann wusste jedoch, dass sie das Unternehmen modernisieren und transformieren musste und bat deshalb ihren Bruder um Unterstützung: „Ich habe Max gefragt, ob er die Produktionsprozesse analysieren und optimieren möchte.“ Ursprünglich wollte der Bruder nur auf Projektbasis für zwei Jahre mitarbeiten, doch im Laufe des Projekts fühlte auch er die Verbundenheit zum Familienunternehmen und die beiden beschlossen, gemeinsam die Geschäftsführung zu übernehmen. Auch Sophies zweiter Bruder Rudolf entschied sich, ein Teil des Betriebs zu werden. Er ist in der Möbelproduktion unter anderem für das älteste Produkt verantwortlich, die Hobelbank.
Mehrjähriger Strukturwandel
Das bringt uns zurück zur Garage: Im Werk in Scharnstein arbeiten aktuell 25 Personen, gewachsen sind die Räumlichkeiten tatsächlich ausgehend von einer Garage, an die immer wieder zugebaut wurde, erzählt die Neo-Chefin bei einem Rundgang durch die Hallen. Das Holz stammt von Sägewerken aus der Region, bei TREWIT erfolgt dann jeder Arbeitsschritt vom Rohholz zum fertig produzierten Möbelstück mit Lackierung, Polsterung und Filzgleitern. Nebenbei wird auch die Belastbarkeit neuer Produkte wie einem Freischwinger getestet.
Seit Herbst 2020 ist das Familienunternehmen in den Händen der nächsten Generation, nachdem die Vorgänger in Pension gingen. Im Sommer 2021 wurde aus Wittmann offiziell TREWIT. „Wir müssen uns selbst noch an den neuen Namen gewöhnen“, sagt sie mit einem Schmunzeln.
Hinter TREWIT steht jedoch mehr als nur ein neuer Markenname, sondern tatsächlich eine traditionelle Tischlerei mit moderner Struktur. „Viele Prozesse in der Produktion waren kaum niedergeschrieben, das haben wir geändert“, schildert die neue Geschäftsführerin den Transformationsprozess. Dem neuen Führungsteam ist wichtig, dass sich alle Mitarbeiter*innen mit den Werten des Unternehmens identifizieren können. Im Rahmen der Modernisierung der Produktion machen sich die Geschwister auch über Digitalisierung und Automatisierung Gedanken: „Dabei geht es uns nicht darum, Menschen durch Maschinen zu ersetzen. Ich glaube, es wird immer gutes Handwerk brauchen. Es müssen aber nicht alle Produktionsschritte immer manuell durchgeführt werden“, findet Wittmann. Große Expansionspläne gibt es zumindest vorerst nicht – zum einen fehlen die Fachkräfte, zum anderen „wäre es ein Widerspruch, wenn wir für Regionalität stehen und dann unsere Produkte in aller Welt verkaufen würden“, sagt Sophie Wittmann.
Regionalität als Erfolgsfaktor
Die Regionalität schätzt Wittmann sehr, obwohl sie selbst schon im Ausland tätig war und gerne über die Grenzen hinaus denkt. Und dieser Begriff bedeutet für sie auch, Unternehmen in der Region zu unterstützen. Die weiteren Tischlereibetriebe im Ort empfindet Wittmann als Kooperationspartner: „Man unterstützt einander bei Projekten oder hilft weiter, wenn es einmal Engpässe gibt.“ Während sich andere Holzfirmen auf Endkund*innen oder Schulmöbel spezialisieren, liegt der Schwerpunkt von TREWIT auf Möbel für den Pflege- und Gesundheitsbereich sowie Hotel- und Freizeiteinrichtungen sowie Geschäfte. Für die benachbarte Bäckerei Bruckmühle zum Beispiel setzte TREWIT einen Concept Store um.
Neben dem regionalen Fokus konzentriert sich Sophie Wittmann mit dem frisch übernommenen Betrieb besonders auf Design und Nachhaltigkeit – sowohl in den Produkten als auch in den Beziehungen. Als Beispiel dafür nennt Wittmann die Zusammenarbeit mit dem Designer Robert Rüf: „Mit ihm habe ich bei meinem Einstieg ins Unternehmen mein erstes Projekt umgesetzt.“ Hätte Wittmann die Kontakte zu den Kooperationspartner*innen nicht bewusst gepflegt, wäre es wohl nur bei einem Projekt geblieben, glaubt sie: „Das waren einige Zufälle und stetiger Austausch“, die zu erfolgreichen Kooperationen führten. Mittlerweile setzt sie mit Rüf und weiteren Designern wie dem Studio March Gut Produktserien um. Das vereinfacht auch die Entwicklung und Umsetzung von neuen Möbelstücken wie dem Freischwinger aus der Trax-Serie.
Nicht nur praktikabel, sondern schön
Wie lang dauert es, bis aus einer Idee ein Möbelstück wird? „Das kann in wenigen Monaten passieren oder mehrere Jahre dauern“, erklärt Wittmann. Im Fall des Trax-Freischwingers war die Entstehung eher am kürzeren Ende. „Es hilft natürlich, wenn wir mit Designern arbeiten, die uns kennen. Wir denken schon in der Konzeption mit, wie ein Möbelstück dann in der Tischlerei umgesetzt wird und ob die Produktion überhaupt mit den verfügbaren Mitteln möglich ist.“ Nach der Konzeption wird der Prototyp des neuen Möbelstücks bereits im eigenen Haus umgesetzt und dann so lange verfeinert, bis er marktreif ist. Für die Entwicklung neuer Möbel überlegt Wittmann, welche Produkte die einzelnen Serien ergänzen könnten – wie im Fall der Trax-Kollektion – oder sucht den Austausch mit Kund*innen, um mehr über die Bedürfnisse in der Praxis zu erfahren. So macht das Team unter anderem auch Umfragen, um zu verstehen, was ein Möbel leisten muss. Auch wenn etwa im Pflegebereich die Praktikabilität im Vordergrund steht, Sophie Wittmann legt hier nicht nur auf Langlebigkeit, sondern auch auf den Designaspekt besonderen Wert.
Der jahrelang vorbereitete Transformationsprozess trägt bereits Früchte, laut der Geschäftsführerin hat sich die Sesselproduktion verdoppelt, und Kund*innen nehmen das neue moderne Selbstverständnis der Tischlerei aus dem Almtal wahr. Beim Thema Nachhaltigkeit hält Wittmann am Rohstoff Buchenholz fest: „Das Ressourcenproblem herrscht in erster Linie bei Eichenholz oder Monokulturen wie den Fichtenwäldern. Wir haben um uns herum funktionierende Mischwälder.“ So werden die TREWIT-Produkte auch in Zukunft noch aus Vollholz und nicht aus neu entwickelten Materialien entstehen.
In den kommenden Jahren will Wittmann mit ihren Brüdern den eingeschlagenen Kurs fortfahren und Wert und Qualität noch stärker über das Design vermitteln. Langfristig gesehen verfolgt Wittmann mit ihrem Bruder das Ziel, „etwas zu schaffen, das auch die nächste Generation weiterführen möchte“.