Superbrilliand haben den Spot On Call “Young Creatives” gewonnen. Superbrilliand, das sind Maia Parussel und Christian Entmayr, die sich gemeinsam vor beinahe drei Jahren mit ihrem Branding Studio selbstständig gemacht haben. Im Interview erzählen sie uns über die Pflegeeltern-Kampagne für die Kinder- und Jugendhilfe Land OÖ, über die Kunst, ein herausforderndes Thema mit einer Prise Leichtigkeit zu inszenieren, über gute Kund*innenbeziehungen, über ihren kreativen Prozess und über die Wichtigkeit der eigenen Markenpositionierung.
Liebe Maia, lieber Christian, erzählt uns doch zu Beginn etwas über euch: Wie lange seid ihr schon selbstständig, was macht ihr?
Maia: “Selbstständig sind wir schon fast drei Jahre. Wir freuen uns über diese Auszeichnung besonders, weil man in unserem Alter nicht mehr so oft “young” genannt wird. *lacht* Wir haben vorher in zwei unterschiedlichen Agenturen gemeinsam gearbeitet, zwischendurch dann auch mal nicht gemeinsam. In der Corona-Zeit haben wir beschlossen, dass wir gerne unsere eigene Agentur gründen wollen, um genau das zu tun, was uns am meisten Spaß macht: Branding und Kampagnen. So hat sich das entwickelt.”
Christian: “Wir haben unsere Rollen erweitern können, da wir in der Vergangenheit klar begrenzte Job Descriptions hatten. Ich war Account Director, was natürlich viel mit Kundenberatung und finanzieller Verantwortung zu tun hat. Die Selbständigkeit hat mir die Möglichkeit gegeben, kreativ zu arbeiten. Besonders die Bereiche Konzept und Text machen mir große Freude. Sprache hat eine super wichtige Rolle für Marken und Kampagnen. Wir merken bei Kund*innen, dass Sprache viele Menschen emotional abholt und sehr identitätsstiftend wirkt.”
Wie teilt ihr eure Rollen jetzt in der Selbstständigkeit auf?
Maia: “Viele Dinge entwickeln wir gemeinsam, andere teilen wir auf. Christian ist studierter Betriebswirt mit Schwerpunkt Marketing und bringt deshalb viel Erfahrung im Bereich Strategie in unsere Arbeit ein. Ich war an der Kunstuni und habe Grafikdesign und Fotografie studiert. Gestaltung, Konzept und Design sind mein Hauptfokus als Art Directorin. Jede Idee entwickeln wir gemeinsam. Jedes Branding, jede Kampagne.”
Christian: “Das ist ein Riesenvorteil, solch Kreativprojekte zu zweit zu konzipieren, denn im Ideen-Ping-Pong entsteht oft Unerwartetes. Alleine verrennt man sich öfters in seinen Vorstellungen. Manchmal verbeißt man sich in seinen eigenen Gedanken. Und dann glaubt man selbst wieder nicht an seine eigene Idee. Dann braucht es den anderen, der sagt ‘Das Konzept ist gut, lass uns dranbleiben’ oder ‘das ist es jetzt noch nicht’. Es ist wichtig, dass gute Gedanken verteidigt werden und am Leben erhalten bleiben. Wir haben nicht den Anspruch, die einzig richtige Idee zu haben, weil es wahnsinnig viele kreative Köpfe da draußen gibt. Aber wichtig ist für uns, dass wir Marken und Kampagnen kreieren, die bei Menschen emotional etwas auslösen.”
In ihren Projekten arbeiten die beiden oft mit Partner*innen zusammen. Dabei ist ihnen wichtig, für die jeweilige Aufgabe die am besten passende Person zu finden. Partner*innen, die nahe am Thema sind, oder deren Stil und Arbeitsweise genau zur Kampagne passt. Superbrilliands oberster Anspruch dabei: „Gnadenlos in Qualität investieren.“
Christian: “Wir wollen das bestmögliche Ergebnis schaffen. Sich in jeder Problemstellung intensiv einzudenken, bedarf aber auch auf Kundenseite einer ernsthaften Auseinandersetzung. Das ist mitunter auch für die Kund*in anstrengend und erzeugt Reibung. Aber am Ende des Tages glauben wir, dass sich diese Anstrengung bezahlt macht. In Qualität zu investieren und mutig zu sein, wird im Ergebnis immer sichtbar sein und sich rentieren.”
In Qualität zu investieren und mutig zu sein, wird im Ergebnis immer sichtbar sein und sich rentieren.
Christian Entmayr
Maia, du hast vorhin gesagt, ihr entwickelt Ideen gemeinsam. Habt ihr da einen kreativen Prozess, den ihr immer verfolgt? Wie geht ihr an ein neues Projekt heran?
Maia: “Das Wichtigste ist die Chemie zwischen dem Kunden und uns. Denn nur wenn die Beziehungsebene stimmt, sind kreative Wege möglich. Die Basis für Kreativität ist das gegenseitige Vertrauen.
Christian: “Dann der Creative Brief. Es wird vielleicht manchmal unterschätzt, wie wichtig der Input von Kund*innen-Seite ist. Wir hören hier sehr genau zu und starten jedes Projekt mit einer sehr umfangreichen Recherche. Denn oft liegen im Detail und um das Thema herum wertvolle Lösungsansätze. Wir versuchen wirklich, das eigentliche Problem herauszufinden. Im Kund*innen-Briefing ist immer irgendein Problem oder ein Ziel zumindest skizziert. Aber tatsächlich ist es ganz oft so, dass dahinter noch einmal etwas Tieferes steckt. Bei der Kampagne zu den Pflegeeltern war das Briefing, dass zu wenig Leute in Oberösterreich Pflegeelternschaft übernehmen. Wir haben uns darauf aufbauend überlegt: Was bewegt die Menschen und welche Motive könnten sie haben? Geht es beispielsweise um einen unerfüllten Kinderwunsch oder möchte jemand einfach helfen?”
Wie seid ihr zu der Idee mit den handgeschriebenen Zetteln gekommen?
Christian: “Wir haben diskutiert, wie man gestalterisch mit diesem Thema umgehen kann. In einem sensiblen Bereich wollten wir nicht zusätzliches Leid der betroffenen Pflegekinder anhand von weinenden Kindern zeigen. Reines Mitleid funktioniert nicht, wenn es darum geht, einem Kind ein neues Zuhause zu geben. Da wäre möglicherweise eine Spende das Richtige. Wir wollten, dass unsere Sujets nicht werblich wirken – Kinder sind keine Produkte.
Sich in die Lage eines Kindes zu versetzen, war unsere Herangehensweise, um herauszufinden, was Pflegekindern wirklich wichtig ist und nach welchen Kriterien sie neue Eltern aussuchen würden: Eisessen, Spielen, Lesen, Weitspucken. Es geht eigentlich um ganz kleine, für uns oft unscheinbare, unwichtige Dinge, die Kinder glücklich machen. So sind wir auf unsere Headlines gekommen, die teilweise Schmunzeln auslösen oder irritieren.”
Wie seid ihr in das Projekt reingestartet?
Christian: “Wenn Kindern etwas ganz Wichtiges am Herzen liegt oder die Bezugsperson nicht zuhause ist, schreiben sie Nachrichten. Eine einfache, aber starke Weise sich als Kind Aufmerksamkeit zu verschaffen und seine geheimsten Wünsche festzuhalten. Mit der so genannten Zettelkommunikation geben wir den Pflegekindern selbst eine Stimme. Pflegekinder suchen nach etwas, das ihnen derzeit fehlt. Das sind oft Dinge, die für uns selbstverständlich wirken. Ihnen aber die Welt bedeuten.
Maia: “In unserer Recherche und in gemeinsamen Workshops mit Sozialarbeiter:innen haben wir emotionale Botschaften erarbeitet, formuliert und mit links geschrieben und gezeichnet. Idee war es eine Gestaltung zu kreieren, die an die Schrift von Kindern erinnert. Unperfekt und bewusst nicht nach Werbung aussehend. Ungewohnt auch die Ausspielung der Kommunikation: Abrisszettel auf Lichtmasten, Sticker vor örtlichen Geschäften, Postkarten an alle Bewohner:innen, Flugblätter im Supermarkt. Es sollen alle im Ort, in der Gemeinde mitbekommen, dass es Kinder gibt, denen etwas ganz Wesentliches fehlt. Die Sozialarbeiter:innen haben dies unter die Menschen gebracht – authentisch und persönlich.”
Ungewohnt auch die Ausspielung der Kommunikation: Abrisszettel auf Lichtmasten, Sticker vor örtlichen Geschäften, Postkarten an alle Bewohner:innen, Flugblätter im Supermarkt. Es sollen alle im Ort, in der Gemeinde mitbekommen, dass es Kinder gibt, denen etwas ganz Wesentliches fehlt.
Maia Parussel
Welche Maßnahmen habt ihr sonst noch gesetzt? Habt ihr dann auch Resonanz mitbekommen?
Maia: “Uns war wichtig, dass wir die Bevölkerung auf das Thema sensibilisieren und dass es neben der Adoption auch noch andere Möglichkeiten gibt wie beispielsweise Pflege-Opa oder Teilzeit-Mama zu sein. Ein Kind braucht nicht nur eine Familie, sondern ein ganzes Dorf. Und auf diesem Prinzip basiert das Ganze auch: Je mehr Erwachsene für Kinder da sind, desto leichter ist es dann auch, wenn mal einer ausfällt.”
Christian: “Wir haben dann mit den verantwortlichen Politiker*innen eine Art Roadshow gemacht und haben vor Ort Journalist*innen eingeladen. In Vöcklabruck haben wir z.B. auch eine Pressekonferenz gemacht. Auch jene Pflegeeltern in Oberösterreich, die Kindern bereits ein Zuhause geben, haben wir nicht vergessen. Sie sind es, die sich mit viel Liebe um Pflegekinder kümmern, mit ihnen spielen, Blödsinn machen und ihnen eine neue Chance im Leben geben. Diese Eltern sind und tragen jetzt „coole Socken“, die Teil eines Goodiebags für Eltern und Kinder waren. Gemeinsam mit Vresh haben wir diese Socken produziert.”
Maia: “Ich denke, das ist sind viele Gründe, warum die Kampagne gut funktioniert hat. Zusätzlich hatten wir einen super Partner mit dem Land Oberösterreich, dem Team der Abteilung Kinderschutz und dem Team rund um Landesrat Michael Lindner. Die gemeinsamen Bemühungen haben die Kampagne richtig beflügelt.”
Christian: “Schön, wenn eine Kundenbeziehung so gut funktioniert und das Projekt durch jeden Teamplayer verbessert wird. Unser Kunde hat den Mut bewiese Unperfektheit und Fehler zuzulassen, was uns Möglichkeiten eröffnet hat. Die Kampagne hätte man sonst so wahrscheinlich nicht umsetzen können. Dadurch haben wir die Chance, dass sie heraussticht und gut funktioniert.”
Was waren denn aus eurer Sicht Herausforderungen im Projekt? Und umgekehrt aber auch, was hat euch am meisten Spaß gemacht?
Maia: “Die Kampagne ist in der Umsetzung sehr verspielt, auch wenn das zugrundeliegende Thema traurig ist. Die Verspieltheit in dieser Form macht sehr großen Spaß, ist aber zugleich auch eine große Herausforderung. Sie ist eben sehr “ungestaltet”, sehr “roh”.”
Maia und Christian erinnern sich mit Schmunzeln an den Tag der Plakatenthüllung, für die ein ausreichend langes rotes Band und eine passend große Schere aufgetrieben werden mussten. Sie zogen fast wie eine Band mit den Politiker*innen und Verantwortlichen durch das Land, hatten alle lustige Partner-Socken an und hatten das Gefühl, das Richtige zu tun. Als herausfordernd ist den beiden neben der emotionalen Schwere der Thematik auch die Möglichkeit eines potentiellen “Shitstorms” in Erinnerung geblieben – ein sensibles Thema erfordert Fingerspitzengefühl in der Ausarbeitung von Messages und Sujets. Das ist den beiden gelungen. Mit viel Umsicht wurden die Headlines entwickelt, bei denen es auch essentiell war, die leiblichen Eltern der Kinder nicht in ein schlechtes Licht zu rücken.
Als Erweiterung der Kampagne wird nun ein Podcast aufgenommen, bei dem unterschiedliche Perspektiven beleuchtet werden und Interessent*innen noch mehr Infos bekommen sollen.
Christian: “Das ist ein tolles Medium, über das Personen ihre Erfahrungen auch anonym teilen können. Wir geben dem Thema so nochmal verschiedene Perspektiven, was sagt die Kinder- und Jugendanwaltschaft dazu, was sagt die Abteilung für Jugendschutz dazu, was die leiblichen Eltern, was die vielleicht auch schon erwachsenen Kinder. So kann man das Ganze lebendiger machen und vielleicht auch beim Entscheidungsprozess ein bisschen helfen.”
Habt ihr abschließend noch einen Tipp, den ihr anderen Young Creatives mit auf den Weg geben wollt?
Christian: “Unabhängig vom Alter junge Ideen zu entwickeln! Kreativität kanalisieren zu können, hat viel mit Erfahrung zu tun. Mir hilft die Berufserfahrung aus meiner Zeit vor der Selbständigkeit.”
Maia: “Wir haben an unserer eigenen Marke zu Beginn sehr intensiv gearbeitet. Auch, weil wir uns zu zweit mal einig werden mussten, was wir eigentlich tun. Ich glaube, es ist wichtig, wenn man sich selbstständig macht, sich die Zeit zu nehmen und die Klarheit zu finden. Wo möchte ich denn hin? Da kann man sich natürlich an der Freude oder am Spaß orientieren, weil einen das meistens auf einen ganz guten Weg führt.”
Christian: “Klare Positionierung ist das Wichtigste überhaupt, weil es nämlich die Kund*innen, mit denen man zusammenarbeiten will, selektiert. Das ist dann eine gewisse Akquiseersparnis. Wir sind als Marke verspielt und auch edgy. Es gibt für alle Kund*innen eine*n passende*n Partner*in dazu. Und wir sind es auch nicht immer.”
Danke an Superbrilliand für die wertvollen Insights in ihre Arbeit!
Spot On stellt herausragende Projekte der oberösterreichischen Werbe- und Kommunikationsbranche ins Rampenlicht – in vormaligen Leerstands-Schaufenstern in der Linzer Innenstadt. Auf spot-on-spot.at könnt ihr alle Informationen zum Projekt und den Gewinner*innenkampagnen ansehen.