Teil des Projektes Workshops
// SCHREIBWERKSTATT IV mit Martin Ross
Lesen sowie Schreiben ist ein Handwerk, das erlernt werden kann.
Für alle, die ihr Talent darin noch ausbauen und schärfen möchten, gibt es hier die SCHREIBWERKSTATT zum NACHLESEN – eine Zusammenfassung allgemeiner Regeln für das professionelle Schreiben. Die Kurzfassung haben wir euch hier als Blogeintrag zur Verfügung gestellt, die Langfassung gibt es hier als PDF zum Download.
FÜR DIE OHREN SCHREIBEN (Kurzfassung)
»Schreibe für die Ohren!« – Das ist die bekannteste Maxime des ehemaligen Leiters
der Hamburger Journalismusakademie Wolf Schneider. 1 Was ist damit gemeint? – In Italien lernen die Kinder in der Volksschule den Spruch »Si scrive come si parla«: Man schreibt, wie man spricht. Das ist auch in anderen Sprachkulturen zu hören, und Martin Luther hat dem Volk aufs Maul geschaut, wie überliefert ist. Soll man also so schreiben, wie man spricht? Die Antwort ist österreichisch: Ja und nein.
Nein – weil wer so schreibt, wie er oder sie spricht, gerade hier zu Lande leicht in den Dialekt verfällt. Und das ist alles andere als vorteilhaft, vor allem in Geschäftskorrespondenz.
Ja – weil wer für die Ohren schreibt, für die LeserIn schreibt. Und das hat mit Umgangssprache und Dialekt nichts zu tun. Viel zu tun hat es mit einer mündlichen Ausdrucksweise. Diese wird, wie Untersuchungen gezeigt haben, ungleich besser verstanden als eine schriftliche Ausdrucksweise. Unter dieser versteht man komplexe Sätze, die im wahrsten Sinn des Wortes »Texte«, das heißt: Gewebe bilden. Und das ist für Gedrucktes gut so, wenn Sätze sich aufeinander beziehen, sich ineinander verzahnen. Im Gegensatz zu Literatur und wissenschaftlichen Büchern sollten informierende Texte keiner Interpretation bedürfen, sollte der Reibungsverlust beim Transport der Information gegen Null gehen.
»Jemand spricht wie gedruckt« ist eine bekannte Redensart. Aber ist es auch verständlich? – Oft genug nicht! Aber gerade auf das Merken, das erst eine inhaltliche Auseinandersetzung gewährleistet, kommt es an. Für die Ohren schreiben bedeutet demnach so zu schreiben, dass die Sätze nicht nur lesbar, sondern auch vorlesbar und merkbar sind. Wie man das zuwege bringt, mögen die folgenden allgemeinen Regeln für das professionelle Schreiben zeigen:
Wenige Eigenschaftswörter (Adjektive) verwenden
Adjektive = Formulierungen verweichlichen
Beispielsweise: ein »weißer Schimmel«, ein»alter Greis« oder eine »leichte Brise«. Man hat auch schon von »toten Leichen« gelesen. Pleonasmus nennt man solche Fehler: Da bezeichnet das Adjektiv eine Eigenschaft, die im Substantiv schon enthalten ist. Eine Regel ist also, so wenige Eigenschaftswörter wie möglich verwenden.
Schlichte Wörter verwenden
Viele Menschen glauben, dass die Empfehlung, schlichte Wörter zu verwenden, zu einer Verarmung der Sprache führt. Es kommt aber auf den Verwendungszweck an, modern gesprochen: auf die Zielgruppe, den Textanlass. Und man muss etwas zu sagen haben. Arthur Schopenhauer hat schon Recht, wenn er meint, »man gebrauche gewöhnliche Worte und sage ungewöhnliche Dinge«.
Verbalstil statt Nominalstil
Wer im Nominalstil schreibt, zieht Hauptwörter (Substantive) den Verben vor. Da geraten beispielsweise schon einmal »Akten in Verstoß« (dabei sind sie verloren gegangen).
Der Verbalstil ist dagegen wesentlich angenehmer zu lesen, er wirkt freundlicher, weil man dabei etwas tut, was Menschen lieben: Man erzählt. Er geht darum, Verben zu verwenden, die jeder versteht. Man sollte dem/der LeserIn den eigenen Sprachgebrauch nicht erst erklären müssen.
Das Passiv meiden
Wer etwas im Passiv ausdrückt, will ein Leiden ausdrücken. Das Passiv ist die Leidensform (»Der Bahnhof wird um Mitternacht geschlossen«).
Wichtig und interessant zu wissen ist, wer oder was Grund oder Ursache einer Folge oder einer Wirkung ist. »Wurde Ihr Fahrzeug geleast?« – Nein! »Haben Sie Ihr Fahrzeug geleast?« – Ja. Oder: »Sie werden hiermit in Kenntnis gesetzt …« So nicht, aber so: »Wir teilen Ihnen mit …«
Hauptsätze schreiben
Hauptsachen gehören in Hauptsätze, Nebensachen in Nebensätze.
Beispielsweise: »Damit wir die Verschuldensfrage klären können, bitten wir Sie, uns eine ausführliche Hergangsschilderung samt Unfallskizze zu senden.«
Besser: »Bitte schicken Sie mir eine ausführliche Schilderung des Unfallhergangs und eine Unfallskizze. Erst dann können wir die Verschuldensfrage klären.« (zwei Hauptsätze)
Keine Schachtelsätze schreiben
Schachtelsätze sind Sätze, die einen oder gar mehrere Nebensätze eingeschoben oder angehängt haben, um die im Hauptsatz transportierte Sache näher zu erläutern. Warum soll man Schachtelsätze meiden? – 1. Niemand spricht so.
Und 2. sind sie unübersichtlich.
Lieber ja als nein sagen
Manchmal sind negative Formulierungen notwendig. Gegen sie ist nichts einzuwenden. Aber Vorsicht vor NEIN-SÄTZEN; »nicht ohne Interesse« (=Ich bin mit Interesse bei der Sache) oder »nicht gesund« (=Ich bin krank) »So ist es!« – »Ita est!« hieß es bereits bei den alten Römern. Also: Aktiv, positiv, direkt formulieren!
Sagen, was was ist
Es gibt Begriffe, die sich nicht von selbst verstehen. Und die sollte man erklären. Es geht also um die volle Klarheit, die LeserInnen sollen bei keinem Wort über seine Bedeutung rätseln müssen.
1 Viele Beispiele und Maximen dieses Dokuments verdanken sich der Lektüre dieses großartigen Buches: Wolf Schneider: Deutsch fürs Leben, Rowohlt: Reinbek 1999 (= rororo sachbuch 19695).