Drei ExpertInnen plaudern aus dem Co-Creation-Nähkästchen
In Kooperation mit CO-CREATE, dem Erasmus + -Projekt zum Thema Co-Design und Co-Creation, fand am 13. März 2019 die 12. Ausgabe der WE ARE SO-Veranstaltungsreihe in der nagelneuen Grand Garage der Linzer Tabakfabrik statt. Im Rahmen von WE ARE SO co-creation holte die CREATIVE REGION Linz & Upper Austria drei Protagonisten auf die Bühne, die aus dem Co-Creation-Nähkästchen plauderten und ihre Erfahrungen und Blickwinkel mit dem Publikum teilten.
Follow the HiPPO - das Gegenteil eines Co-Creation-Prozesses
Was Co-Creation eigentlich ist, erklärte Rene Massatti von Playroom. Er stellte aber klar, dass es wie bei vielen anderen Disziplinen auch, verschiedene Definitionen dafür gibt. Der Co-Creation-Ansatz verschreibt sich der Kollaboration von Unternehmen mit ihren Stakeholdern, um Synergien zu schaffen und Innovationen voranzutreiben. Für Rene Massati geht es dabei vorrangig darum, sich auf ein gemeinsames Ziel einzuschwören und dann auf eine Lösung hinzuarbeiten, die für alle akzeptabel ist.
Rene Massatti kommt aus dem Innovationsmanagement und seine Erfahrung hat gezeigt, dass viele Unternehmen während ihrer Innovationsprozesse scheitern. Die Agentur Playroom hat sich darauf spezialisiert innovative Prozesse zu materialisieren, also sie tatsächlich physisch zu bauen. Rene Massatti klärt auf:
„Wir haben gesehen, dass Leute anders arbeiten, wenn komplexe Themen und Prozesse im Raum dargestellt werden. Digitale Tools sind gut, auch die verwenden wir, aber um einen richtig guten co-kreativen Prozess zu starten, braucht es analoge Tools, die auch verräumlicht werden.“
Playroom hat diese räumlichen Werkzeuge bereits für namhafte Kunden umgesetzt, vielfach in Deutschland, z. B. bei BMW, Visa oder auch dem deutschen Sparkassen- und Giroverband.
Ein Grund für den verstärkten Fokus von Unternehmen auf Co-Creation ist der rapide technologische „Push“. Massatti dazu:
„Wir werden ständig mit immer mehr Erfindungen konfrontiert, in immer kürzeren Abständen drängen mehr und mehr Innovationen in unser Leben und komplexe Themen können gar nicht mehr anders verarbeitet werden, als gemeinsam. Unternehmen sind es gewohnt auf solche Herausforderungen so zu reagieren, wie sie es gelernt haben und zwar indem das HiPPO (highest paid person’s opinion) entscheidet und alle anderen sitzen zwar am Tisch, nicken die Entscheidungen aber nur ab. Es wird zwar gemeinsam besprochen, aber die Entscheidung trifft am Ende der, der in der Futterkette ganz oben ist. Das ist ziemlich genau das Gegenteil von einem Co-Creation-Prozess.“
Massatti sieht die Ergebnisse solcher Meetings als „lahme Trophäen“, danach passiere aber sehr wenig. Die archaisch verankerte Fähigkeit kreativ zu sein, würden wir mit den Jahren verlernen, vor allem auch deshalb, weil wir, wenn wir zum Beispiel co-kreativ arbeiten, ständig die Beurteilung der Peers oder des HiPPOs fürchten.
Playroom gibt den Kunden Tools und agile Systeme an die Hand, die kreativ in Räume integriert sind und mit denen sie arbeiten können. Wenn man kreative Prozesse integrieren möchte, dann spielt vor allem die Unternehmenskultur und die daraus abgeleitete Innovationskultur eine entscheidende Rolle. Und so unterschiedlich die Kultur in den Unternehmen ist, so verschieden ist auch deren Zugang zu Co-Creation-Prozessen. Auch wenn Tools und Methoden noch so gut sind, wenn der Widerstand zu groß ist, sind solche Prozesse nicht durchführbar. Daraus ergeben sich auch der Grad der Implementierung und das Ausmaß der Öffnung nach außen, von abgeschlossenen VIP-Co-Creation Zonen bis hin zur uneingeschränkten Kollaboration mit der Öffentlichkeit, so Massatti.
Der Mensch im Mittelpunkt
Das norwegische Architekturbüro Snøhetta, das in Innsbruck ein Büro betreibt, arbeitet nicht nur selbst co-kreativ an Projekten, sondern auch ihre architektonischen Umsetzungen schaffen Räume, in denen wiederum Co-Creation-Prozesse Nährboden finden, wie z. B. bei Swarovski in Wattens. Die flexible, lichtdurchflutete Halle der Swarovski Manufaktur bildet nicht nur den Produktionsprozess ab, sondern umfasst auch Schauräume und Räume, in denen mit Kunden gearbeitet wird. Die zentrale Treppe dient als Raum für zufällige oder geplante Treffen, für Vorlesungen oder Präsentationen. Die Swarovski Manufaktur soll ein Raum sein, der soziale Interaktion ermöglicht. Peter Zöch:
„Im Mittelpunkt der Arbeit von Snøhetta stehen die Menschen. Denn die Räume, die Snøhetta schafft, nehmen immer Rücksicht auf die Interaktion der Menschen und versuchen Interaktion zu stimulieren.“
Die Arbeitsweise von Snøhetta zeichnet sich dadurch aus, dass die unterschiedlichen Disziplinen immer auf Augenhöhe zusammenarbeiten. Die Mitarbeiter arbeiten bunt gemischt, egal welche Position, egal welche Rolle sie innehaben. Und sie sind auch nicht nach Projekten organisiert, es gibt keine Chefbüros, keine Unterscheidung nach Hierarchien. Das Gemeinsame steht im Vordergrund und das trägt zu einer angenehmen und produktivitätsfördernden Unternehmenskultur bei. Der kreative Zugang zu Projekten von Snøhetta versucht den Blickwinkel aller Disziplinen einzunehmen, jeder soll seine Meinung beitragen können und so werden gemeinsam neue Ideen generiert.
Snøhetta konzentriert sich auf drei kreative Treiber, wenn es darum geht, Projekte für Kunden umzusetzen: prepping, zooming-out und getting physical. Prepping steht für gemeinsame Vorbereitung und der Formulierung gemeinsamer Ziele. Zooming-out heißt einen Schritt zurückzugehen und sich für einen Moment von der konkreten Aufgabe zu entfernen, um Werte und Stimmungen einzufangen. Dabei wird anhand von Bildern illustriert, wofür das Unternehmen steht. Was dabei entsteht, ist die Konzeptidee, die dann zum getting physical führt.
„Aus dem Konzept entstehen kleine Modelle oder Skizzen, bei denen es noch gar nicht darum geht Formen zu definieren, es geht vielmehr darum die Idee zu versinnbildlichen.“, so Peter Zöch.
Von der Hierarchie zum Netzwerk
Kristin Hanusch-Linser, Vizepräsidentin & Executive Advisor Transformation der IAA Austria, warf dann noch einen Blick auf die Unternehmensseite, darauf womit Unternehmen heute konfrontiert sind und wie sie Herausforderungen bearbeiten. Unternehmen sind konkreten Druckpunkten ausgesetzt und, um diesen Herr zu werden, müssen lösungsorientierte Agilisierungsmaßnahmen der Kultur forciert werden.
Bei den ÖBB war es beispielsweise der Umstand, dass 25% der MitarbeiterInnen in den nächsten 5 Jahren in Pension gehen, ein massiver Braindrain und eine massive Veränderung der Kultur sind die Folge. Unternehmen wissen, dass sie von den bisher etablierten Lösungswegen und Strukturen abweichen müssen, um die Druckpunkte meistern zu können, co-kreative Ansätze können dabei helfen. Meist bleibt es jedoch aufgrund der unternehmenskulturellen Gegebenheiten bei Initiativen, weil Innovationslabors oder „co-creative spaces“ häufig vom Rest des Unternehmens, vom Rest der Kultur abgeschlossen bleiben.
„Die Welt da draußen funktioniert heute anders als früher. Von der produktzentrierten Arbeit, Kommunikation und Organisation müssen die Unternehmen ein Serviceverständnis in der Beziehung zu den Kunden und Mitarbeitern entwickeln“, so Hanusch-Linser.
Wenn Unternehmen immer nur von einem Produkt zum Kunden sprechen, verengt sich ihre Organisation und dadurch werden sie langsam. Hanusch-Linser bringt es auf den Punkt:
„Serviceorientiert heißt, wir müssen gemeinsam mit den Kunden und Mitarbeitern Produkte entwickeln, um mithalten zu können. Das ist nichts anderes als ein Beschleunigungsfaktor. Kollaboration bedingt aber ein neues Denken, wir müssen uns von der Hierarchie zum Netzwerk entwickeln, das geht nicht von heute auf morgen. Wir müssen lernen neu miteinander zu arbeiten. Und es braucht ganz analoge Dinge dafür: Menschen, Raum und Methoden.“
WE ARE SO co-creation zum Nachschauen
Dank Dorf.TV gibt es auch einen Videomitschnitt der Veranstaltung – hier zum Nachsehen.