Teil des Projektes WE ARE SO
Modernes Marketing beschäftigt die nationale und internationale Musikindustrie. Dabei kommt man heutzutage an der Nutzung von Daten nicht mehr vorbei. Für Independent Artists, Einzelkämpfer*innen ohne großem Label im Rücken, ist das wie oft für Creatives oder Einzelunternehmer*innen aus anderen Disziplinen eine Herausforderung. Die kreative Arbeit als Künstler*in trifft dabei aufs fast technisch wirkende Marketing der Musikindustrie. Die Frage, die sich stellt: Wie können Musiker*innen Artist Data für ihre Zwecke nutzen?
Promotion, Trendscouting, Talentscouting, Überprüfung von Musikrechten: Ohne Algorithmus und Big Data geht auch im Musikbusiness nichts mehr. Musiker*innen haben Zugang zu enormen Datenmengen und diese werden auch in Zukunft die Musikindustrie bestimmen und schon jetzt sind die Datenquellen für die Musiker*innen vielfältig: Social Media, die eigene Website, Daten aus Newslettern oder über den Onlineshop oder die Daten der Streaming-Plattformen. Aber was bedeutet das für die für die Independent Community? Was macht man mit den Daten und wie kommt man zu den wirklich relevanten Daten?
Insights: Mehr als nur Daten
Neben „owned data“, also jener Daten, die User*innen den Musiker*innen z. B. über eine Newsletter-Anmeldung oder einen Onlineshop selbst zur Verfügung stellen bzw. in ein Onlineformular eingeben, können auch andere Daten fürs Musikmarketing verwendet werden. Hierfür eignen sich z. B. Daten von Facebook, Instagram oder Youtube, aber auch Google Analytics. Denn für den Community-Aufbau sollten vor allem bei unabhängigen Künstler*innen mit limitierten Budgets die Social-Media-Kanäle im Fokus stehen.
Daten alleine reichen aber nicht aus, wenn sie nicht richtig interpretiert werden. Sogenannte Insights sind Reports, die z. B. auch Informationen über das User*innenverhalten zur Verfügung stellen und die reinen Daten in Relation zum eigentlichen „Problem“ setzen. Josh Greenberg berät mit seiner Green Mountain Lodge als Creative and Strategic Consultant Künstler*innen, Labels, Agenturen oder Festivalveranstalter*innen im Spannungsfeld zwischen Kultur, Musik, Tech und Brand. Er sieht das folgendermaßen:
“Insights basieren nicht nur auf reinen Hard Facts. Es ist wie ein sechster Sinn. Glaub an deine Musik, daran, was du machst und validiere diese Insights mit Analytics.“
Josh Greenberg, Green Mountain Lodge
Im Musik-Business ist das insofern von Bedeutung, als dass modernes Musikmanagement gewissermaßen ebenfalls nach den Regeln der Kulturanthropologie funktioniert. Vorhandenes Wissen und Hypothesen werden mit neuen Informationen verbunden, um z. B. das Verhalten des Publikums besser zu verstehen. Das Musikbusiness und sein Marketing sind also im Prinzip beinahe wissenschaftlich, denn die Wissenschaft basiert letztlich ja ebenfalls auf dem Prozess des Datensammelns. Daten alleine reichen jedoch nicht aus, erst die Interpretation ist aufschlussreich und aussagekräftig. Es ist also notwendig, Insights und Analytics miteinander zu verbinden und sie gegenseitig zu überprüfen, so Craig May von FUGA, einem Distribution und DDS-Tool-Anbieter.
“Hervorragende Ergebnisse auf Spotify in Mexiko müssen nicht zwingend bedeuten, der beste Künstler in Mexiko zu sein. Es könnte auch daher kommen, dass Spotify in Mexiko überdurchschnittlich populär und erfolgreich ist als in anderen Regionen der Welt. Entscheidend ist: Daten sind subjektiv. Es ist notwendig, Analytics mit Insights zu validieren.“
Craig May, FUGA
Bevor man sich in die vorhandenen Daten stürzt, sollte man sich darüber im Klaren sein, um welche Problemstellung es sich handelt. Also bei welchem Problem die Daten etwas aussagen können, was man bisher noch nicht wusste. Daten sind im Überfluss vorhanden, man sollte wissen, worauf man seine Aufmerksamkeit und somit seine Ressourcen legen will.
Deshalb ist es wichtig, sich im „Fan Funnel“ seines Publikums die Fragen zu stellen, welche Assets überhaupt verfügbar sind (Content Plattformen, Touren, Merchandising, etc.). Außerdem muss klar sein, welche Ziele verfolgt werden sollen. Sind diese Parameter soweit abgesteckt, gehts ans Datensammeln.
Datenquellen und Tools
Die generierten Daten von Streaming & Social Media Tools stammen direkt aus jenen Quellen, in denen das Publikum mit den Musiker*innen interagiert. Die Daten von Spotify for Artists, Apple music for Artists (+ Shazam), Amazon for Artists, Youtube Creator Studio u. a. sind sehr detailliert, aber eben nur von dieser einen direkten Quelle. Selbiges gilt für Facebook oder Instagram Analytics.
FUGA und auch andere Distributor & DDS Tools führen über ein Dashboard viele unterschiedliche Daten aus unterschiedlichen Quellen zusammen und bereitet sie auf. Craig May ist für das globale Marketing bei FUGA verantwortlich und ist nicht nur Musikdistributor, sondern bietet auch Datenanalysen und Marketing Strategien für Musikschaffende an. FUGA-Insights können dabei unterstützen, im Marketing wichtige strategische und operative Entscheidungen zu treffen und Kampagnen effektiv zu planen und umzusetzen.
Bekannte Cross Channel Tools sind z. B. WARM (World Airplay Radio Monitor) bei der Radionutzung oder Soundcharts und Chartmetric im Indie-Segment, die zwar einen guten Überblick verschaffen, jedoch nur oberflächliche Daten zur Verfügung stellen. Mit Awario, Sprinklr, Swat.io, Sprout, Hootsuite oder Mention können Social Media- und Web-Erwähnungen beobachtet werden, um die Performance des Social Media-Contents zu verbessern. Für absolute Datenprofis, die auch wissen möchten, wie ihre Daten für AI performen, gibts Tools für Metadaten und Tags, wie Musiio, Music DNA, TagTeam, Cyanite, Music Brainz, AIMS, Total Music, TuneRegistry oder VivaData.
Data driven Marketing-Kampagnen
FUGA stellt nicht nur Daten für Independent-Künsterler*innen zur Verfügung, sondern setzt sie auch für Data-driven-Marketing-Kampagnen ein. Zu Beginn jeder auf Daten basierenden Kampagne stehen meist relativ analoge Überlegungen. Die Artist Proposition wird erarbeitet, dabei werden sowohl hörbare, visuelle und kulturelle Aspekte berücksichtigt, z. B. Genre und Musikstil, Markenauftritt und Ästhetik, aber auch der Cultural-Fit oder Interessen der Künstler*innen abseits der Musik.
Steht die Artist Proposition fest, werden die KPI definiert, die während der Kampagne überwacht und für die Project-Release-Strategie verwendet werden. Danach wird der Produktmix gewählt, also die digitalen Audio- und Videoveröffentlichungen und das Merchandising geplant oder Partnerschaften mit anderen Marken eingegangen. Unterm Strich soll dann der Output optimiert werden, deshalb konzentriert man sich zu diesem Kampagnenzeitpunkt aufs Retail Marketing, Consumer Engagement und auf die Finanzen.
In jeder Phase steht an oberster Stelle: Man muss wissen, wer die Zielgruppe ist, wie sie sich verhält und wie ich sie erreiche. Handelt es sich um aktive oder passive Musikkonsumenten, Streamer oder Käufer*innen, die Musik als Hardcopy kaufen? Und über demografische Daten, wie Alter und Herkunft usw. können Musiker*innen z. B. gezielt Streaming-Playlists auf ihre Zielgruppen in bestimmten Regionen abstimmen.
Zusammengefasst: 4 Schritte der Artist-Data-Kampagne
- Ask Questions
- Stell dir Fragen über deine Zielgruppe, über ihr Verhalten, darüber welches Problem gelöst werden soll.
- Define success
- Setze dir realistische Ziele und überwache die KPIs.
- Research data and apply insights
- Recherchiere die dafür nötigen Daten, Fakten und validiere sie, indem du Insights analysierst.
- Convert to a plan
- Entwickle einen Plan, um das Problem zu lösen und deine Marketingziele auf der jeweiligen Stufe des Fan Funnels zu erreichen.
- And then EXPERIMENT
- Den Plan solltest du so schnell wie möglich am Markt testen, Test bedeuten auch, mehr Daten zu sammeln, die wiederum mehr Aussagekraft haben. Stellt sich der Erfolg ein? Gut, ansonsten weiterarbeiten, optimieren, ändern und erneut testen.
Believe in your music & keep on creating
Allen in allem steht nach wie vor die Kunst im Mittelpunkt. Häufig sehen sich Musiker*innen regelrecht dazu gezwungen, Daten für ihr wirtschaftliches Vorwärtskommen nutzen zu müssen, obwohl sie sich eigentlich auf Ihre Kunst konzentrieren möchten.
Die international erfolgreiche Soul-, Pop-, und RnB-Indie-Musikerin SOIA aus Wien bringt es für sich auf den Punkt:
„Ich vermeide es, wenn möglich, mich damit zu beschäftigen. Aber das geht heutzutage ja kaum mehr. Ich versuche die Daten insofern für mich vorteilhaft zu nutzen, als dass ich sie für mich arbeiten lasse, anstatt umgekehrt.“
SOIA, Musikerin aus Wien
Davon ist auch Brand Consultant Christoph Riebenbauer von BRANDxCULTURE Riebenbauer überzeugt, der gemeinsam mit Craig May, Josh Greenberg und SOIA im Rahmen des Stream Festivals 2021 bei WE ARE SO data driven über den Einsatz von Daten im Musik-Business diskutiert hat.
„Artist Data soll uns helfen, Entscheidungen zu treffen. Es geht um das Ausprobieren – das Scheitern und den Erfolg. Es geht darum, eine Gemeinschaft aufzubauen und neue Menschen mit seiner Musik zu erreichen. Das Wichtigste ist jedoch kreativ zu sein und an die Kunst zu glauben, die man macht.“
Christoph Riebenbauer, BRANDxCULTURE
In diesem Sinne: Keep on creating!
Credits Artikelbild: FUGA Dashboard