Dass Umwege keine Irrwege sind, beweist Fotograf Jürgen Grünwald. Der gelernte Koch entschied irgendwann, seine berufliche Zukunft in der Fotografie zu suchen und fand sie dort auch. Wie dieser Weg zum freien Fotografen aussah und was er jungen Talenten für ihren Start in der Fotografie rät, erzählt er bei der 37. Ausgabe der Creative Coffee Break in seinem Studio im Linzer Winterhafen. Mit seinem Side Project, der U.W.S. Base, das während der Coronapandemie entstand, war er übrigens kürzlich bei der Mailänder Möbelmesse im Pop-up-Truck der Creative Region mit von der Partie.
Was macht Jürgen Grünwald?
Jürgen: Ich arbeite als freier Fotograf für Unternehmen, Gestalter*innen und Persönlichkeiten.
Vom Koch zum Fotografen – wie kam es dazu?
Jürgen: Eigentlich bin ich gelernter Koch. Ich habe dort meine Erfahrungen gemacht und irgendwann festgestellt, dass ich immer arbeite, wenn meine Freunde und meine Familie freihaben. Irgendwann wollte ich das nicht mehr und habe drei Monate eigentlich nichts gemacht. Mein Onkel hat eine Entsorgungsfirma und die Austria Tabak war eine seiner Kundinnen. Er meinte, ich sollte mir das einmal ansehen. So bin ich zur Austria Tabak gekommen. Meine Mutter war in der Gastro, sie hat mich in die Gastro gebracht, mein Onkel eben in die Austria Tabak und irgendwann wusste ich, was ICH jetzt machen wollte. Ich habe mich dann an der Kunstuni Linz beworben für Grafikdesign & Fotografie. Dort habe ich mein Bachelorstudium gemacht und danach den Master in Fotografie.
Nach dem Studium direkt in die erfolgreiche Selbstständigkeit – wie hast du das geschafft?
Jürgen: Ich habe während meines Studiums gleich assistiert. Thomas Smetana war eine sehr prägende Persönlichkeit für mich. Bei ihm habe ich sehr lange assistiert und mache es heute noch, wenn er Hilfe braucht. Ich habe mich dann gleich selbstständig gemacht und geschaut, was geht. Am Anfang habe ich viel z. B. für die Creative Region gemacht und ziemlich viele Veranstaltungen fotografiert. Das war gut, denn so sehen die Leute, was man macht und man kann sich nach oben arbeiten. Es ist ein harter Weg, dorthin zu kommen, dass dich Werbeagenturen oder Designstudios buchen. Linz ist keine große Stadt. Ich habe sehr lange assistiert und wurde immer als Assistent wahrgenommen. Den Sprung zum selbstständigen Fotografen muss man irgendwann machen. Bei mir war es so – ich weiß nicht, ob das ausgemacht war –, aber ab dem Tag, an dem ich diesen Sprung wagte, buchte mich niemand mehr als Assistent.
Was waren deine absoluten Shooting Highlights bisher und warum?
Jürgen: Schwierig. Weil egal ob großer oder kleiner Job, sie hatten alle ihre Herausforderungen und haben mich stolz gemacht. Rossbarth ist ein Projekt, das mir am Herzen liegt, weil ich selbst noch ganz am Anfang stand und sie ebenfalls. Wir haben zusammengearbeitet und es ist etwas Tolles dabei herausgekommen. Es war aber auch gut, für Swietelsky zu arbeiten – ein völlig anderer Kontext, weil es Werbung und ein großer Kunde war. Dabei fotografierte ich 400 Meter unter der Erde und musste eine Ausbildung machen, wie man mit Sauerstoffgeräten ausgerüstet arbeitet. Richtig gut war auch – das war noch während der Studienzeit –, als ich Sigi Mayer fotografieren durfte und mit ihm für Anton Riepl eine Broschüre entstanden ist. Das hat mich als junger Fotograf besonders stolz gemacht, weil Sigi Mayer eine Designikone in Österreich ist.
Welche Briefings magst du?
Jürgen: Ich mag es, wenn Art Direktoren wissen, was sie wollen, wenn es ein Mood-Board gibt, das die Stimmung und vielleicht das Styling einfängt und trotzdem Spielraum bleibt für Kreativität am Set, um zu sehen, was wir herausholen können. Ich finde es gut, wenn es Art Direktoren gibt, die dabeistehen und dir sagen, was passt und wann ein Foto fertig ist und wir nicht noch hundert weitere Fotos machen müssen, weil er oder sie das Foto bereits gesehen hat, das gebraucht wird. Das finde ich einfach super.
Was sind die größten Challenges in deinem Arbeitsalltag?
Jürgen: Die Challenge eines Fotografen wie bei mir, wenn man eine One-Man-Show ist, ist: Du bist einfach alles. Du bist Projektmanager*in, Fotograf*in, organisierst die Shootings und Models, schreibst Angebote und Rechnungen. Das alles unter einen Hut zu bringen, ist manchmal gar nicht so einfach. Und am schlimmsten sind die Preisdiskussionen, weil wir auf einem freien Markt sind, auf dem jede*r, der oder die eine Kamera kaufen kann, auch sagen kann, er oder sie kann fotografieren. Es gibt richtig viele Leute, die wirklich gut darin sind, auch wenn sie es nicht gelernt oder studiert haben. Das finde ich auch gut. Traurig ist dann nur, wenn solche Leute gute Fotos liefern und kein Geld dafür verlangen. Das ist schwierig. Des Weiteren finde ich, dass es keine andere Berufssparte gibt, die so hantiert wie die der Fotograf*innen. Jede*r ist immer nur für sich. In einer kleinen Stadt wie Linz gibt es vier bis fünf, die in diesem Pool mitschwimmen. Man könnte sich zusammensitzen und sagen: „Wenn das die Anforderungen sind, kostet das XY.“ Das wäre extrem wichtig. Somit würden wir uns alle schützen. Man bucht eine*n Fotograf*in nicht nur wegen des Preises, sondern man sollte eine*n Fotograf*in buchen, weil man einen bestimmten Stil haben will oder weil sie oder er die Qualität liefert.
Was würdest du aufstrebenden Fotografietalenten raten, um ihren eigenen Stil zu finden?
Jürgen: Schaut euch viele Fotograf*innen an und Ausstellungen. Nicht nur fotografische Ausstellungen, sondern auch Malerei oder was auch immer. So viel wie möglich konsumieren und ansehen. Dann entscheiden, was einem gefällt oder nicht gefällt. Ausprobieren! Dann kommt man ganz schnell darauf, was einem gar nicht gefällt oder gut gefällt. Das sollte man verfolgen, um den Stil und die Ästhetik zu schärfen. Je länger man an etwas arbeitet, umso mehr Tiefe bekommt es und umso mehr schärft das den Stil.
Welche Side Projects haben sich abseits der Fotografie bei dir aufgetan?
Jürgen: Du sprichst wahrscheinlich die Urban Wood Systems an, die Base, die wir gemacht haben. Das war ein spannendes Side Project. Als die Pandemie eingesetzt hat, sind auch die Fotoaufträge zurückgegangen. Ich habe mich als Messenger bei veloteam beworben. Da ich jeden gefahren bin, habe ich gemerkt, dass mein Fahrrad an der Wand steht und meine Kleidung irgendwo anders herumlag, nichts hatte seinen Platz irgendwie. Ich dachte mir, es wäre super, wenn ich mein Fahrrad aufhängen oder hinstellen kann, so dass alles an einem Platz ist. Dann ging ich zum Studio March Gut, mit denen ich auch immer wieder zusammenarbeite. Ich habe ihnen diese Idee präsentiert und sie gefragt, was sie davon halten. Wie auch immer es aussehen sollte, ob es an der Wand hängt oder nicht – ich hätte gerne so ein Ding. Sie waren begeistert, was mich sehr freut und sie entschieden, es zu machen. Nach zwei Jahren Entwicklung entstand die Urban Wood Systems – U.W.S. Base. Sie ist jetzt auf dem Markt. Seit 1. Mai kann man über die Website bestellen.
Welche Projekte können wir von Jürgen Grünwald in naher Zukunft erwarten?
Jürgen: Es wird eine kleine Ausstellung im Zuge des Ars Electronica Festivals im Salzamt geben. Und ich würde mich freuen – als mein persönliches Goal –, wenn ich mich ein wenig mehr in der Fashion-Richtung etablieren könnte. Da werde ich nun schauen, dass etwas geht. Ansonsten bin ich sehr zufrieden.
Bei wem sollten wir unbedingt auf eine Creative Coffee Break vorbeischauen?
Jürgen: Bei Area, Simon Ladner, der ein wunderbares gestalterisches Gefühl hat und einen wunderbaren Sinn für Ästhetik. Dann bei DESTILAT bei Henning Weimer, die viel gemeinsam arbeiten und wunderbares Interior Design machen.