Hochgelobt. Vielbeachtet. Bepreist und oft nachgeahmt. Das Filmgeschäft profitiert vom Ruf nach immer mehr Bewegtbildern in der Kommunikation, vom Streaming-Geschäft und von der Professionalisierung der Musikbranche. Schnell verfügbar und hochqualitativ produziert soll alles sein. Und gleichzeitig stehen in der Filmbranche zeitliche Überlastung, Unterbezahlung und eine relativ schlechte CO2-Bilanz an der Tagesordnung. Warum? Muss das weiterhin so sein? In der Branche mehren sich die Stimmen, dass auch hier nachhaltige und faire Strukturen etabliert werden sollen. Welche Initiativen gibt es bereits und welche Schritte sind dazu sinnvoll? Wir machen uns auf die Spurensuche.
Das Quartett: Kunstfilm – Kulturfilm – Werbefilm – Spielfilm
Lässt sich der Aufruf zu Fairness und nachhaltigen Strukturen in der Filmbranche zumindest in einem Segment starten? Nein. Die Kunst- und Kulturfilmszene ist untrennbar mit dem Werbefilm verbunden. Werbefilmschaffende rekrutieren ihre Kreativen oft aus dem Pool der Kunst- und Kulturfilmszene. Und gleichzeitig liegen beim Werbefilm jene Budgets, die der Kunstfilm bräuchte. Es macht also Sinn, die gesamte Branche in der Wirtschaftskammer in der Fachgruppe Film- und Musikwirtschaft zu verbinden.
Neue Förderung für die Filmwirtschaft
Dort wurde auch eine Förderung zur Etablierung von Nachhaltigkeit und Fairness in der Filmbranche auf den Weg gebracht: Das Filmanreizmodell. Dieses ist im Wesentlichen ein Steueranreizmodell mit grünem Bonus: der Kriterienkatalog umfasst 25 Punkte; bei Beantragung des Steueranreizmodells beträgt die Förderung 30 % der Filmproduktionsausgaben in Österreich. Wenn ein Großteil der Punkte erfüllt wurden (zum Beispiel 22 von 25), gibt es 35 % Förderung.
Lena Weiss, Geschäftsführerin der Produktionsfirma Glitter & Doom in Wien hat in ihrer Masterarbeit für die Wiener Filmakademie Initiativen, Zertifikate und Förderungen für Nachhaltigkeit in der Filmbranche in Österreich und ganz Europa zusammengetragen und verglichen. Im Wesentlichen beschränkten sich die Möglichkeiten zum „Green Filming“ auf Informationen der Lower Austria Film Commission und auf das „Österreichische Umweltzeichen – Green Producing in Film und Fernsehen (Richtline UZ 76)„, so Weiss.
„In Österreich gab es 2020 wenig bis kaum Initiativen, Green Filming zu fördern. Das war im Europavergleich eher ernüchternd, denn quer durch Europa hatte man damals zum Thema Förderung von Nachhaltigkeit im Film einige Möglichkeiten.“
Lena Weiss, Glitter & Doom
Ihre Erfahrungen bringt sie nun in der Fachgruppe der Wirtschaftkammer ein. Sie ist eine Mitinitiatorin des Steuermodels. Eine hilfreiche Adresse ist heute zusätzlich der Verein Green Film Consultants Austria. Dieser bildet die Green Film Consultants aus, die im Team sein müssen, wenn sich eine Produktion eine Förderung sichern will. Die Consultants übernehmen viel Arbeit. Sie wissen, was geht und was nicht geht. Weitere filmunabhängige Beratungsangebote für nachhaltige Unternehmensführung sind beispielsweise OekoBusiness Wien und Pulswerk.
Ihren Film “Heimsuchung” hat Lena Weiss als grünes Pilotprojekt ohne Förderungen und mit einem Green Film Consultant produziert.
„Wir haben einfach geschaut, was wir ohne Mehrkosten umsetzen können. Aus meiner Sicht ist eine CO2-Neutralität im Film heute nicht vorstellbar, aber man kann einiges bewegen.“
Lena Weiss, Glitter & Doom

Manuel Bauer, Producer & Director der Linzer Filmproduktionsfirma das narrativ, kommuniziert sein Engagement für Nachhaltigkeit weder auf der Website, noch setzt er auf Förderungen. Der Katalog für Green Producing ist lang. Die Anforderungen sind umfangreich und dementsprechend ergibt sich ein hoher administrativer Aufwand, der in keiner guter Relation zur Projektgröße steht. Denn Werbefilme sind kürzer als Spielfilme. Sein Ansatz zum Thema ist eine grundsätzliche und ganzheitliche Awareness.
„Wir versuchen einfach, Ressourcen durch eine ordentliche Dispo zu sparen. Autos werden gemietet, wir verwenden Mehrweggebinde, gehen lokal essen und leihen Equipment.“
Manuel Bauer, das narrativ
Er organisiert die Projekte auf diese Art und Weise, weil für ihn Nachhaltigkeit einfach wichtig ist und sieht wenig Sinn darin, für diese Selbstverständlichkeit eine Beratung zu engagieren.
„Unterm Strich muss ich den gleichen Preis anbieten können, egal wie ich produziere.“
Manuel Bauer, das narrativ
Die Botschaft der Förderung ist eine politische: Belohnt werden jene Unternehmen, die grün produzieren und jene, die die Kriterien nachweislich umsetzen. Nachhaltigere Unternehmen sollen am Markt besser bestehen können, weil sie dafür sorgen, dass Ressourcen wesentlich geschont werden. Das ist fair.

Netzwerk: Green Filming
Green Filming umfasst auch die Lieferketten. Eine Stellschraube für Nachhaltigkeit im Film ist sicherlich eine Strategieentscheidung der Auftraggeber*innen: Braucht es für jedes Thema einen eigenen zeitgeistigen Film; rotzig, frech, schnell? Oder wird der Content mehrfach genutzt? Mit mehr Impact und längerer Sichtbarkeit im Web?
Beispiel Musikvideo: Pro Single ein eigenes Video zu produzieren, ist heute Usus. 1.500 Euro für das Musikvideo sind für die oft jungen Bands viel Geld und für die Filmer*innen wenig. Rabatte lösen das Thema Fairness nur kurzfristig. Ohne die Werbefilme, die solche Rabattaktionen kompensieren, wären die zahlreichen Musikvideos nicht finanzierbar.
Faire Prozesse und Abläufe im Kreativbereich
Ist das eine Generationenfrage? Und limitiert dieser Anspruch nicht auch die Auswahl der Partner*innen? Lang etablierte Filmproduktionsfirmen haben vielleicht das nötige Netzwerk noch nicht parat und arbeiten lieber traditionell. Das ändert sich gerade, denn aufgrund der Förderrichtlinien müssen sich alle mit dem Thema auseinandersetzen.
Zum Thema Fairness für Frauen im Filmbusiness: Anders als vor 20 Jahren, gibt es mittlerweile viele und hervorragend arbeitende Frauen in der Filmbranche, die gut und transparent vernetzt sind. Es ist heute leicht, sie anzusprechen und sie zu engagieren.
Zum Thema Partner*innen für nachhaltige Filmproduktion: Die jüngere Generation tut sich wohl mit diesem Thema leichter und hier sind die Themen Kamera- und Lichtverleih, ökologische Stromgeneratoren, Elektro-Lkw und vegetarisches, biologisches oder saisonales Catering gut etabliert. Und da und dort finden sich auch Pionier*innen, die offen sind und das Neue einfach ausprobieren wollen. Auch bei den Requisiten und im Szenenbild ist wiederverwendetes Material sinnvoll. Und ob die Unterbringung des Teams in Ressourcen-intensiven 4- und 5-Sternehotels sein muss, kann auch zur Diskussion stehen.
Auch beim Storytelling kann Nachhaltigkeit bereits Platz finden:
- Kann die Party im Film anstatt auf Mauritius auch woanders stattfinden?
- Kann der Kommissar mit dem Fahrrad fahren?
Hier braucht es viel Feingespür dafür, was es zum glaubwürdigen und emotionalen Erzählen der Geschichte unbedingt braucht und wo man die Story an sich beschneiden würde.
Filmbusiness und Familie – passt das zusammen?
Beim Thema Generation kommt natürlich auch das Thema Familie ins Spiel. In der Selbstständigkeit ist Karenz nicht denkbar. Im Kollektivvertrag der Filmbranche überrascht die wöchentliche Arbeitszeit von 50 Stunden. Das Begehren der 35-Stundenwoche löst hier nur ein Lächeln aus. Das Thema wird seit Jahrzehnten vernachlässigt. In der Realität sind die Tage in der Filmszene meist noch länger.
„Mit der 50-Stundenwoche kann man sich um kein gesundes Kind kümmern. Und schon gar nicht um ein krankes.“
Lena Weiss, Glitter & Doom
Frauen verschwinden dann mit 35 aus der Branche und suchen sich etwas anderes.
Manuel Bauer beschreibt seine familiäre Lösung als sehr komfortable Zone. Vielleicht ist so Familie und Selbstständigkeit in der Filmbranche gut austariert. Mit einer in Vollzeit arbeitenden Geschäftspartnerin und einer Lebenspartnerin in Führungsposition kann er mit Kund*innen zusammenarbeiten, die sein Engagement für seine Kinder und Familie mittragen:
- Erreichbarkeit bis 17 Uhr, nicht am Feierabend
- An Wochenenden und Feiertagen nicht erreichbar, daher keine Wochenend-Drehs
- 40-Stundenwoche mit der Orientierung zur 35-Stundenwoche
„Man muss sich dieses Leben leisten wollen und können, dass man seine Kinder und seine Familie einfach höherstellt. Das ist eine bewusste Entscheidung.“
Manuel Bauer, das narrativ
Auch an dieser Stelle steht der Branche noch viel Bewusstseinsarbeit und das Einfordern von fairen Bedingungen bevor. Denn in keiner Branche braucht es Selbstaufgabe.
Neu, groß, exotisch, komfortabel – die Produkte der Filmbranche
Problematisch im Sinne der Nachhaltigkeit sind auch vor- und nachgelagerte Bereiche der Filmproduktion. Dementsprechend verbrauchen vor allem die geforderten hohen Auflösungen von Filmen für Streaming-Plattformen enorme Energieressourcen. Durch bessere Kompressionen wäre hier ein Beitrag möglich. Klar ist, dass die gezeigten Produkte in Werbefilmen eine Begehrlichkeit auslösen und den Neukauf anregen sollen.
Was der ständige Ruf nach Neuem, Modernerem, weiter entfernten Urlaubszielen, Bequemerem oder Coolerem mit einer nachhaltigen Lebensführung zu tun hat, das darf jede*r für sich beantworten. Und die Filmwirtschaft liefert die Bilder der Begehrlichkeit dazu. Es obliegt natürlich jedem und jeder Einzelnen zu entscheiden, ob bewusst Aufträge abgelehnt werden können, die einer nachhaltigen Lebensführung zuwiderlaufen. Keine leichte Entscheidung. Aber eine SELBST-bewusste.
Der Talk mit Manuel Bauer und Lena Weiss fand im Rahmen des CROSSING EUROPE Filmfestival Linz statt.

Credits Artikelbild: Andreas Wörister