Unser Frühjahrstalk zum Thema Leadership führte uns in das Office von Netural – zu Chief People Officer Irene Bouchal-Gahleitner. Im Austausch in kleiner Runde gab sie uns Einblicke in die Gesprächs- und Unternehmenskultur des Linzer Digital-Dienstleisters und teilte ihre persönlichen Learnings und Strategien, um in sensiblen Gesprächssituationen mit Fingerspitzengefühl zu agieren.
Sensible Gespräche im beruflichen Kontext gibt es viele: Feedbackgespräche, Schlichtungsgespräche, das Besprechen kritischer Themen, Überlastungsthemen oder gar Kündigungen. Vor allem Führungspersonen geraten verstärkt in diese Art der Gesprächssituationen und sind hierbei gefordert, ihre Kommunikations-Skills zu schulen, um sie konstruktiv zu meistern.
Gesprächskultur als Teil der Kernprozesse
Bei Netural sind die Prozesse des Lernens einer positiven Gesprächskultur tief in den Strukturen des Unternehmens und dessen Kultur verankert. Das ist wichtig, denn die Teams organisieren sich großteils selbst und sind in unterschiedlichen Rollen gefordert, den Arbeitsalltag zu organisieren und für Transparenz in den Prozessen und wirtschaftlichen Zahlen zu sorgen. Daher betreffen bei Netural die kommunikativen Challenges nicht nur Führungskräfte im herkömmlichen Sinn – denn Führung an sich wird als Aufgabe verstanden, die auf mehreren Schultern im Team verteilt ist und auch immer wieder neu verteilt wird.
Um die jeweiligen Teammitglieder in ihrer Führungsrolle gut zu unterstützen, gibt es ca. alle zwei Monate ein Austauschformat g im Sinne einer kollegialen Fallbearbeitung. Hier kommen die Leads zusammen, besprechen und üben gemeinsam konkrete, aktuelle Führungssituationen. Im Fokus steht dabei unter anderem auch das Erlernen von konstruktiven Feedbackgesprächen – oft ein sensibler Bereich in der Team-Kommunikation. Hierfür gibt es bei Netural Feedbackregeln, die sicherstellen sollen, dass diese Gespräche wertschätzend und konstruktiv stattfinden.
Feedback als Geschenk geben und annehmen
Zu den Regeln zählt z.B.
- Feedback immer nur direkt den betreffenden Personen zu geben
- im Gespräch nur die eigene Wahrnehmung zu kommunizieren. Das funktioniert am besten durch die Verwendung von Ich-Botschaften und dem Ansprechen von konkreten Situationen, statt Verallgemeinerungen zu machen.
- Feedback als Geschenk zu formulieren, und als dieses auch anzunehmen.
Dieses Mindset wird bei Netural bereits beim Onboarding neuer Kolleg*innen trainiert. “So Feedback zu geben lernen bei uns die Juniors, wenn sie von der HTL kommen”, erzählt Irene, “Und wenn es nicht in der Form gegeben wird, weil die Person vielleicht gerade gestresst oder emotional ist, dann wird er oder sie von den HR-Leads darauf hingewiesen, wie wir den Feedbackprozess umsetzen“. Eine essentielle Rolle dabei spielt die starke Unternehmenskultur bei Netural. Denn Irene betont, dass das Entwickeln von Fingerspitzengefühl und guten Dialogen auch stark von den Vorbildern abhängt, von denen man lernen kann. Hier unterstützt der starke Rahmen der Unternehmenskultur, um das gewünschte Verhalten im täglichen Tun zu verankern.
„Die Neuzugänge merken, wie so ein Gespräch abläuft, dann wissen sie, wie das bei uns gehandhabt wird und machen es automatisch auch so.”
Den inneren Zustand kontrollieren: Die 3 Ichs als Anhaltspunkt in Gesprächen
Trotz der Selbstorganisation der Teams gibt es für sensible Gesprächsthemen als letzte Instanz noch die Geschäftsführung, die sich nach drei innerhalb des Teams stattfindenden Eskalationsstufen einbringen kann. Auch wenn diese Gespräche nicht oft anfallen, ist Irene als Chief People Officer in ihrer Rolle gefordert, diese sensiblen Themen dann erfolgreich zu lösen. Eines ihrer größten Learnings und Strategien, um einen konstruktiven Dialog aufrechtzuerhalten, betrifft den eigenen inneren Zustand – die Haltung, wie sie in ein Gespräch kommt. Vor und nach sensiblen Gesprächen plant sie bewusst keine anderen Termine ein, um sich selbst in einen guten inneren Zustand zu bringen, sich ganz auf ihr Gegenüber und die Gesprächssituation einzulassen.
Zusätzlich teilt Irene ihre Strategie, die es ihr ermöglicht, Gespräche auf Augenhöhe zu führen. Ein Framework, das ihr dabei besonders hilft, ist das Modell der Transaktionsanalyse von Eric Berne. Darin gibt es ein Bild von drei verschiedenen Ichs: das Eltern-Ich, das Kind-Ich und das Erwachsenen-Ich. Diese sollten sich die Waage halten, jedoch wippt man im Alltag sehr oft zwischen Eltern-Ich und dem Kind-Ich hin und her.
“Das Eltern-Ich ist im Gespräch oft bemängelnd, bevormundend, oder vielleicht auch übervorsichtig oder überfürsorglich. Wenn ich im Eltern-Ich kommuniziere, dann sage ich meinem Gegenüber, was zu tun ist und lasse der Person dadurch keine Möglichkeit, selbst ihr Erwachsenen-Ich zu leben – ich behandle sie als Kind. Oder ich gehe im Gespräch in die andere Richtung und bin enttäuscht, bin trotzig, bin einfach in meiner kindlichen Rolle gefangen. Auch dann wird niemand im Gespräch im Erwachsenen-Ich kommunizieren können. Daher bemühe ich mich im beruflichen Kontext tatsächlich sehr, in meinem Erwachsenen-Ich zu agieren. Man versucht, sachlich und objektiv zu sein und eine gewisse Distanz einzunehmen. Ich bemühe mich stark, den Mensch selbst nicht zu kritisieren, jedoch klar in der Sache zu bleiben. Und da hilft wahrscheinlich schon die Erfahrung, dass man sich eben nicht so involviert.”
Ihr Trick, um dieses innere Mindset aufrechtzuerhalten und im Gespräch auch dem Gegenüber die Möglichkeit zu geben, erwachsen zu agieren, ist folgender:
„Ich setze meinem Gegenüber und auch mir selbst bildlich eine Krone auf. Als Symbol der Wertschätzung. Mit jemandem, dem ich gedanklich eine Krone aufsetze, spreche ich ganz anders, sehr wertschätzend und respektvoll, ganz nach dem Motto: Du bist okay, ich bin okay.“
Ziel dabei sei auch, dass jeder Gesprächspartner erhobenen Hauptes, oder erhobener Krone, aus dem Gespräch geht, “ganz egal, ob es aus einer Verhandlung ist, ob es aus einem Kündigungsgespräch ist, ob es aus einem Kritikgespräch ist, es darf keinen geben, der als Verlierer hinausgeht.”
New Work needs Inner Work
Irene betont, dass es für das (Weiter)Entwickeln von New-Work Organisationen essentiell ist, die einzelnen Persönlichkeiten im Unternehmen entsprechend zu entwickeln und zu schulen, denn es reicht nicht aus, nur selbstorganisierte Strukturen und Prozesse einzuführen. Zusätzlich muss die innere Haltung und das Kommunikationsverhalten aller Teammitglieder in den Fokus gerückt werden, um selbstorganisierte Strukturen nachhaltig erfolgreich zu machen. Ihr Buchtipp für alle, die weiter in das Thema eintauchen wollen: New Work needs Inner Work von Joana Breidenbach und Bettina Rollow.
Impressionen aus dem Talk
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