Intro von Verena Traunmüller: „Hi und herzlich willkommen zu einer neuen Folge der Creative Coffee Breaks. Mein Name ist Verena Traunmüller. Ich bin heute hier zusammen mit euch und Michael Wieser von YOKAI Studios. YOKAI ist eine innovative Modefirma und eines unserer zehn Artist-Projekte in Re-FREAM. Zu Re-FREAM wird Michi euch gleich noch etwas erzählen und ich freue mich auf ein spannendes Interview und wünsche euch ganz viel Spaß!“
CREATIVE REGION: Was macht YOKAI?
Michael Wieser: Wir beschäftigen uns mit Bekleidung und der textilen Produktion von morgen. Sprich: Bekleidungsproduktion 4.0 und machen das mit Automatisierungstechnologie und Digitalisierung möglich.
CREATIVE REGION: Was war der Auslöser, eure Ideen nicht nur theoretisch zu denken, sondern praktisch umzusetzen?
Michael Wieser: Ich glaube, vor allem, dass wir die Möglichkeit bekommen haben, es zu machen. Zum einen haben wir eine super Infrastruktur, gerade hier in der Tabakfabrik. Wir haben die Kompetenzen hier. Wir haben die Leute hier, die das Know-how haben, wie man solche Sachen möglich macht. Und mit der Kunstuni und der Grand Garage haben wir in Sachen Technologie super Partner, sprich Robotikabteilungen, Zugang zu Industrierobotern. Es war nicht selbstverständlich für Studenten zu der Zeit, dass wir einfach starten und ein Projekt in die Praxis umsetzen.
CREATIVE REGION: Eure Arbeitsstätte ist die Grand Garage in Linz. Welchen Mehrwert hat dieser Standort für euch?
Michael Wieser: Wie schon gesagt, erstens, haben wir hier super Kompetenzen. Wir haben uns hier ein Umfeld an Professionals aufgebaut, die uns mit Rat und Tat zur Seite stehen. Wir sind hier immer gepusht worden, von der CREATIVE REGION, von der Stadt Linz, von der Uni. Wir haben viel Rückenwind bekommen und uns dann auch bewusst dazu entschieden, dass wir das Projekt dort lassen, wo es den Nährboden gehabt hat, um zu wachsen.
CREATIVE REGION: Warum habt ihr euch in einer sehr frühen Phase dazu entschlossen, international zu arbeiten?
Michael Wieser: Hauptsächlich, weil die Modebranche von vornherein sehr international ist. Und weil gerade die Fashion-Tech-Szene noch kleiner und internationaler ist und sich in Österreich so gut wie nichts tut, abgesehen von Fashion & Technology, was schon eine recht gute nationale Szene möglich macht. Wenn du dich von vornherein mit Leuten connecten willst, musst du raus in die Welt und schauen, dass du Partner findest, mit denen du zusammenarbeiten kannst.
CREATIVE REGION: Was macht die Kombination aus Mode und Technologie für euch so spannend?
Michael Wieser: Erstens möchte ich sagen, dass wahrscheinlich Mode oder Bekleidung der Ursprung für die meiste Technologie waren. Sehr wenige Leute wissen, dass der erste Computer eigentlich der Jacquard-Webstuhl war. Da ist die Lochkartentechnologie entstanden. Es war die erste Form von Programmierung, kann man sagen. Das wissen viele Leute nicht, aber das war der Kickoff für viele Technologien, die man heute in anderen Sparten nutzt. Im Endeffekt war die Mode am Anfang dafür verantwortlich, dass Technologie entwickelt wurde, und aus dem heraus hat sich extrem viel entwickelt.
Es ist dann an einem gewissen Punkt stehengeblieben. Das war zur Zeit der zweiten industriellen Revolution, als die Herstellung in die Massenproduktion übergeführt wurde, seitdem hat sich eigentlich die Methode, wie man die Sachen produziert, nicht mehr verändert. Ich glaube, heutzutage – im 21. Jahrhundert –, haben wir mit 3D-Druck und Simulationssoftware extrem viele neue Tools. Wir wollen Mode auf ein neues Level heben, weg von der Massenfertigung, und veraltete Systeme über Board schmeißen.
CREATIVE REGION: Wie reagieren eure Kunden auf eure Modeprodukte, die mit 3D-Scannern und Industrierobotern hergestellt werden?
Michael Wieser: First of all: Wir haben noch keine kommerziellen Produkte auf dem Markt, aber Prototypen und proofed concepts, die wir demonstriert haben. Dazu muss man schon sagen, dass die Leute zum Teil noch relativ wenig Verständnis dafür haben. Wenn sie einen Roboter sehen, glauben sie gleich, dass ihre Arbeitsplätze in Gefahr sind.
Aber wir beschäftigen uns damit, wie man Europa oder Österreich wieder als Produktionsstandort für Bekleidung und Textilien irgendwie attraktiv machen kann. Und da muss man von vornherein sagen, dass es in diesem Segment bei uns kaum Arbeitsplätze gibt. Da würde man bei uns eher Arbeitsplätze schaffen. Ich glaube, man kann die Augen nicht davor verschließen; vor Digitalisierung und Automatisierung. Jeder freut sich auf selbstfahrende Autos, warum nicht auch auf ein robotergeschneidertes Kleidungsstück.
CREATIVE REGION: Stichwort Tradition und Innovation – Inwiefern können traditionelle Modedesigner von euren innovativen Methoden profitieren?
Michael Wieser: Wir laden natürlich Leute ein, mit uns zu arbeiten. Auch weil uns bewusst ist, dass wir durch die Entwicklung einer neuen Produktionsmethode, den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr sehen. Wir sehen die Möglichkeiten gar nicht, die damit möglich sind. Deshalb sind wir immer recht froh, wenn wir einen externen Input bekommen, wenn Leute auf uns zukommen und fragen, ob wir dieses und jenes probieren können. Ich glaube, es würde enormes Potenzial für jedermann geben – vom kleinen Designer bis zum kleinen Label. Wir laden die Leute ein: Kommt auf uns zu, redet mit uns, wir sind für alles offen! Schauen wir einmal, welches Potenzial sich im Endeffekt entfaltet.
CREATIVE REGION: Woher nehmt ihr eure Inspiration für neue Designs und Technologien?
Michael Wieser: First of all: Wir haben die Devise „form follows function“. Durch unsere roboterbasierte Produktionsmethode gibt es ganz klare Limitierungen, die zur Ästhetik im Produkt führen, die anders gar nicht möglich wäre. Das muss einfach so sein, wegen der Produktionsmethode. Es entsteht auch eine ganz eigene Designsprache aufgrund der Produktionsmethode. Sie bietet schon ein bisschen Spielraum, um kreativ Designansätze zu verwirklichen, aber im Endeffekt wird es gezielt den Look haben, weil es eben mit dieser YOKAI-Methode produziert worden ist. Websites, z. B. designboom, wo immer viele Fashion-Tech-Sachen präsentiert werden, privat schaue ich oft das 032c-Magazin an, das aber nicht so Fashion-lastig ist, und Social Media verwende ich privat gar nicht, das stresst mich eher.
CREATIVE REGION: Im Projekt Re-FREAM wurdet ihr ausgewählt, um mit Technologieunternehmen an eurem Konzept weiterzuforschen. Welche Chancen haben sich dadurch ergeben?
Michael Wieser: Das hat enorme Möglichkeiten geboten. Wir haben mit Betrieben zusammenarbeiten können, bei denen wir unsere Finger an Technologie bekommen haben, die man sonst nicht so einfach herbekommt, oder wo es extrem gute Kontakte braucht oder man extrem viel Geld in die Hand nehmen muss, damit man diese Sachen probieren kann.
Es war wahnsinnig hilfreich, dass wir Forscher an der Hand hatten und Sachen unter Laborbedingungen testen konnten, um Fragen zu beantworten, z. B. warum etwas so ist, wie es ist, um den Dingen auf den Grund zu gehen, Daten zu sammeln – warum z. B. unser Loma-Bond jetzt hält oder nicht hält, warum es bei dem Textil hält und bei einem anderen Textil nicht hält. Und wir hatten die Möglichkeit zu testen, also wirklich ein Fundament an Daten aufzubauen, womit man dann auch argumentieren kann: Deshalb ist unser Produkt so gut.
CREATIVE REGION: Wie wichtig sind die Aspekte der Nachhaltigkeit und der fairen Mode für eure Arbeit und eure Produkte?
Michael Wieser: Grundsätzlich natürlich sehr wichtig. Unser Projekt zielt ja auch ein bisschen darauf ab, dass man das System und die Zyklen der Modeherstellung heutzutage überdenkt, dass man gezielt sagt, wir wollen wieder eine Produktion in Europa ermöglichen, wir wollen Kleidung zu fairen Preisen auf den Markt bringen, wofür keine Menschen ausgebeutet wurden. Uns ist natürlich klar, dass wir nur einen kleinen Teil dazu beitragen können.
Es ist natürlich auch sehr schwierig, wenn man auf Automatisierungstechnik setzt. Denn die Leute sagen, dass dadurch Arbeitsplätze verloren gehen. Das ist uns natürlich auch klar, aber wir müssen Step-by-Step unseren Teil dazu beitragen und schauen, dass wir schrittweise verbessern. Im Grunde ist die Idee, dass man das System, wie es ist, schön langsam demontiert und einfach andere Wege aufzeigt, wie es vielleicht gehen könnte.
CREATIVE REGION: Welche Projekte können wir von YOKAI in naher Zukunft erwarten?
Michael Wieser: Es ist noch nichts wirklich spruchreif, aber wir sind in ein Inkubationsprogramm aufgenommen worden, von tech2b; und reden dabei mit potenziellen Partnern im Sportswear-Bereich. Da darf ich noch nichts Genaueres sagen, aber wir planen, dass wir vielleicht in den nächsten ein bis zwei Jahren ein Produkt auf den Markt bringen, mit unserer Methode.
CREATIVE REGION: Bei wem sollten wir unbedingt auf eine Creative Coffee Break vorbeikommen?
Michael Wieser: Ich weiß nicht, ob Klaus Buchroithner schon einmal bei euch war. Aber der wäre hier einen Stock höher. Klaus von Vresh und Das Merch.
CREATIVE REGION: Deine Abschlusswörter?
Michael Wieser: An meine Kollegen von YOKAI Studios und das gesamte Team: Wo zur Hölle seid ihr? Ich sitze da alleine beim Interview!