Teil der Projekte Creative Week , WE ARE SO
Wie können Unternehmen Innovationsräume schaffen? Diese zentrale Frage beschäftigt die heimische Wirtschaft aktuell intensiv. Nicht nur in Österreich, auch international ist beinahe ein Hype entstanden, vorbildliche Büroräumlichkeiten zu gestalten. Was ist aber notwendig, damit solche Räume auch wirklich funktionieren und Innovation, Transformation und Zukunftsvisionen ermöglichen?
Von Arbeitsräumen zu Innovationsräumen
Didi Lenz, Innovation Ambassador bei Bene und „Vater“ des Bene Pixels, weiß, dass bei der Beantwortung dieser Fragen auch immer der Begriff „New Work“ in aller Munde ist. Wichtig ist, klar zu unterscheiden, wofür Räume bzw. Büros eigentlich dienen:
„Wir müssen darüber nachdenken, unter welchen Gesichtspunkten Büros attraktiv sind und für das Unternehmen tatsächlich hilfreich sind.“
Didi Lenz, Bene
Seit der Digitalisierung fragen sich Unternehmen, was sie verändern müssen, um auch in Zukunft erfolgreich sein zu können. Fakt ist, die Arbeit hat sich verändert und wird sich auch künftig transformieren. Dabei wird sich auch die Rolle des Menschen im System verändern. Und weil sich die Art und Weise wandeln wird, wie wir arbeiten, müssen auch die Rahmenbedingungen und damit auch die Räume, in denen die Menschen arbeiten, den Umständen angepasst werden. Im Fokus stehen dabei die Menschen, ihr Mindset und wie sie die Räume nutzen können, um mit anderen zu interagieren.
„Das soziale Geschehen ist für das Gelingen des Unternehmens entscheidend.“
Didi Lenz, Bene
Die drei Kategorien von New Work
New-Work-Bestrebungen sollten dazu genutzt werden, für das Unternehmen eigene Wege zu finden, auch in Zukunft erfolgreich zu sein.
1. Transformation: Verbesserung der Systeme
Hier dient New Work vorrangig dazu, Unternehmen systemisch neu aufzustellen und eine Neuordnung des Geschehens in existierenden Organisationen zu schaffen, um Prozesse und Routinen zu verbessern. Dazu zählen z. B. eine offene Kommunikationskultur, Hierarchieabbau, Lean Management, Selbstorganisation, Mitarbeiter*innen-Entwicklung, Erhöhung der Arbeitgeber*innen-Attraktivität, Work-Life-Blending, Home Office und Remote Work. Alte Arbeitsroutinen treffen auf einen neuen Arbeitsstil und das bedarf einer Transformation, auch weil sich der Anspruch der Arbeitnehmer*innen an die Arbeitgeber*innen verändert.
2. Innovation: Neue Inhalte und Betriebsformen
Nur hieraus entwickelt sich die Innovationsverantwortung in bestehenden Unternehmen. Die zentrale Überlegung ist dabei, ob in altbekannten Produktwelten weitergearbeitet oder neue Angebote für die Zukunft geschaffen werden sollen. Das ist der eigentliche Innovationsort, an dem neue Handlungsroutinen gefragt und Fehler erlaubt sind. Nur dort machen eine agile Organisation, Design Thinking, Ideation und Prototyping Sinn.
„Innovation hat nur dann Erfolg, wenn sie sich loslöst vom Routinebetrieb des Unternehmens.“
Didi Lenz, Bene
3. Zukunftsvision: Formulierung von Utopia
Die Formulierung einer Zukunftsvision hinsichtlich der Bedeutung von Arbeit in der Gesellschaft ist auch eine Frage nach dem Zusammenspiel zwischen dem Menschen und den Maschinen. Es geht darum, in welchem Verhältnis der Mensch zur Natur und den von ihm geschaffenen Maschinen und künstlichen Intelligenzen steht.
Machen Google-Rutschen und Freibier Unternehmen erfolgreicher?
Im Kontext von New Work fragen sich Unternehmen – auch vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie –, ob große Headquarters überhaupt noch zeitgemäß sind. Sind Büroräume überhaupt noch notwendig? Nach der Theorie von Frithjof Bergmann, Begründer der New Work-Bewegung, heißt es, dass eine Gesellschaft kommen wird, in der jede*r fähig sein wird, das zu tun, wofür sie oder er tatsächlich geschaffen ist, ohne durch die Gesamtökonomie in ein bestimmtes Beschäftigungsbild gezwungen zu sein. Kurzum: Jede*r soll das tun können, was ihr oder ihm auch wirklich Spaß macht.
Gerhard Abel, Architekt, CEO & Co-Founder von PLANET architects, sieht darin auch einen Auftrag an die Gestalter*innen von Räumen: „Wir wissen zwar nicht, wie wir in Zukunft arbeiten und mit wem wir arbeiten, aber wir wissen, dass wir wahrscheinlich Menschen bleiben werden. Das heißt, auch wenn es vielleicht keinen fixen Ort der Arbeit geben wird, braucht es Austauschmöglichkeiten und Orte der Kooperation und Interaktion.“
Google-Rutschen und Freibier sind nicht per se das Mittel zum Erfolg. Es sind die sozialen Rituale, die in Zukunft gefragt sein und sogar noch an Bedeutung gewinnen werden. Unternehmen müssen Räume erschaffen, die eben diese sozialen Rituale ermöglichen.
So geschehen bei Dynatrace (siehe auch unseren Artikel „Die digital-analoge Zukunft von Brand Experiences). Dort wollte man mit der neuen Zentrale Möglichkeiten schaffen, öfter miteinander in Kontakt zu kommen. Entstanden ist ein vertikaler Campus mit Freibereichen, Begegnungs- und Kommunikationszonen in Verbindung mit Rückzugsorten und kompakte Arbeitsbereiche für Videokonferenzen.
„Gute Räume sind Räume, in denen die Grundqualitäten stimmen. Dazu zählt Licht, Luft und Akustik. Arbeitspsychologisch ist es aber auch wichtig, dass die Menschen selbstwirksam ins vorgegebene System z. B. ins Temperaturmanagement im Büro eingreifen können.“
Gerhard Abel, Planet Architects
Auch das Unternehmen HABAU hat sich die Frage nach dem Sinn und Zweck eines Bürogebäudes der Zukunft gestellt. Nicolaus Grubinger, project- & business unit manager HABAU, erzählt: „Die Räume der HABAU waren früher stark an die Hierarchie geknüpft. Keiner hat sich wirklich darüber Gedanken gemacht, ob 2er- oder 3er-Büros für eine bestimmte Art der Arbeit geeignet sind, es war einfach so.“
Zusätzlich hat sich die Arbeit generell in den letzten Jahren stark verändert. Schnell wurde klar: Das neue HABAU Headquarter muss flexibles Arbeiten für alle ermöglichen, die abteilungs- und bereichsübergreifende Zusammenarbeit, die Kommunikation verbessern und die Räumlichkeiten sollten bestmöglich den Innovationsgeist der Mitarbeiter*innen anregen. Es sollte eine Atmosphäre der Motivation und Identifikation entstehen und dadurch auch neue Talente angesprochen werden. Der Projektprozess sollte auch ein Vorzeigemodell für zukunftsfähige Projektentwicklung und -realisierung innerhalb der HABAU-Gruppe sein.
„Unsere Bauleiter:innen sind viel auf den Baustellen unterwegs, ihre Büros waren meist ungenutzt, wenn sie aber genutzt wurden, vor allem um dort konzentriert arbeiten zu können, ohne Baustellenhektik.“
Nicolaus Grubinger, Habau
Menschen in den Transformationsprozess einbeziehen
In einem partizipativen Prozess, bei dem die Mitarbeiter*innen intensiv involviert waren, hat Romina Hafner, New Work Architektin und Gründerin von rohkonzept – Studio für innovative Bürogestaltung – HABAU dabei begleitet, das Projekt HAB25 auf die Beine zu stellen. Dabei wurde genau analysiert, wie die Mitarbeiter*innen arbeiten, kollaborieren und was sie dafür brauchen. Eine Software und Gehanalysen zeigten, welche Orte im Gebäude einzusehen bzw. stark frequentiert sein werden.
So konnte HABAU nicht nur offene Kommunikationsräume, sondern auch Arbeitsplätze schaffen, die konzentriertes Arbeiten ermöglichen. Anschließend wurden Personas bzw. Stereotypen entwickelt, ihr Raumbedarf festgelegt und Grundrisse geplant.
„HAB25 war nicht nur ein räumlicher Entwicklungsprozess, sondern eine Kulturentwicklung fürs Unternehmen.“
Romina Hafner, rohkonzept
Fazit: Damit die Büros der Zukunft funktionieren, müssen sie vor allem zwei Dinge erfüllen. Sie müssen für soziale Interaktion bieten und Gedankenfreiheit erlauben. Dann können sie zu pulsierenden Orten der Ideenentwicklung und Innovation werden.
Das Gespräch fand im Rahmen der 21. Ausgabe der Veranstaltungsreihe WE ARE SO in der Novazone der Tabakfabrik Linz statt. WE ARE SO spaces am 11. Oktober 2022 war Teil der Creative Week Austria, einer gemeinsamen Initiative der Creative Industries Styria, CampusVäre, der Wirtschaftsagentur Wien und der Creative Region Linz & Upper Austria.
Credits Artikelbild: Christa Gaigg